Ich erwähne ja zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit (z.B. etwa letztes Jahr im Podwichteln (Link)), dass ich Piraten für maximal uncool halte. Vermutlich, weil ihre anarchisch-kriminelle Lebensweise in Jugend- & Schundromanen sowie Abenteuer-Comics (z.B. „Jim Hawkings“, basierend auf „Die Schatzinsel“ (Link)) ziemlich glorifiziert wird und ich dafür einfach zu rechtschaffend bin ;-) Oder weil mir die Epoche nicht zusagt, immerhin sind Raumschiffe ja viel spannender als Segelschiffe... Wenn ich also maximal begeistert bin, dann können sich die LeserInnen dieses Blogs gewiss sein, dass es sich um einen außergewöhnlichen Comic handelt :-D Auch in „Die Totenkopfrepublik“ machen Piraten (und später auch Piratinnen) den typischen Piratenkram, nämlich in der Karibik umhersegeln und Handelsschiffe plündern. Aber warum machen sie das eigentlich? Und wie sieht das „echte“ Leben dieser Schrecken der Weltmeere aus? Genau das zeigt das mit 224 Seiten sehr umfangreiche Karibik-Epos „Die Totenkopfrepublik“, welche das Piratenleben als eine Utopie der kompromisslos ausgelebten Demokratie darstellt. Denn die Matrosen der Segelschiffe, welche früher in Knechtschaft lebten (etwa als Sklaven oder in der Marine), wählen gleichberechtigt ihre Vorgesetzten, etwa Kapitän und Quartiermeister, und damit ihre Zukunft – Dieses gemeinsame Ausleben der persönlichen & individuellen Freiheit, auch auf die Gefahr hin irgendwann von der Strafverfolgung gehängt zu werden, ist die eigentliche Motivation der Piraten. Doch eine echte Utopie ist ihr Leben nicht, denn weil die maritimen Großmächte (hier im Comic primär England) sie gnadenlos jagen, müssen sie ihre Lebensweise anpassen. Ein Teil von ihnen gründet in Afrika die titelgebende Totenkopfrepublik, welche statt spannender Seefahrten nur ertraglosen Ackerbau bietet, ein anderer Teil strafft die hierarchischen Strukturen und entfernt sich immer weiter vom basisdemokratischen Ideal. Und dann ist da noch die vom idealistischen Kapitän Sylla aus der Sklaverei befreite Piratenkönigin Maryam, welche ihre ganz eigenen Ziele verfolgt und damit auch innerhalb der Piratengemeinschaft tiefe Gräben zieht... „Die Totenkopfrepublik“ ist kein typischer Abenteuer-Comic, in welchem heldenhafte Piraten schändliche Dinge tun. Nein, hier wird eine eingeschworene Gemeinschaft gezeigt, die aller Widrigkeiten zum Trotz ihrem Ideal folgt, mit dem Wissen dass jeder Tag der letzte sein könnte. Besonders deutlich wird das in den verhältnismäßig wenigen Actionszenen, welche bewusst chaotisch gestaltet wurden, um den Überlebenskampf für die Lesenden greifbar zu machen. Wirklich lesenswert wird die Geschichte aber, wenn sie die unbekannte Seite des Piratenlebens zeigt, etwa fingierte Spaß-Gerichtsverfahren oder demokratische Prozesse – Endlich verstehe ich, dass Piraten nicht von Grund auf böse waren, auch wenn wie böses getan haben. Danke lieber „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), dass ihr meinen Horizont erweiter habt :-) Abseits dieser Vorstellung der Lebensrealität gibt es aber auch noch eine „richtige“ Geschichte, welche sich im Prinzip darum dreht, ob Maryam nicht irgendwann ihre Befreier verrät. Nachdem diese Frage über den gesamten Band aufgeworfen wird, folgt leider eine etwas zu schnelle Auflösung im dramatischen und eher betrüblichen Finale – Aber das muss vermutlich genau so sein, denn das ist ja eben kein klischeehafter „Alles-wird-gut-Piratenabenteuer-Comic“ ;-) Daher mein... Fazit: „Die Totenkopfrepublik“ (Link) ist der Comic, auf den ich als Piraten-Hasser immer gewartet habe! Hier geht es, bei aller Kaperei und Plünderei, nämlich nicht um eine verklärte Heroisierung dieser Bösewichte, sondern um eine Annäherung an ihre Lebensrealität. Große Empfehlung!
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