Was war die schwierigste Entscheidung, die du bisher im Leben treffen musstest? Wie es nach der Schule weitergeht? Ob du heiratest oder dich später wieder scheiden lässt? Vielleicht ob eine Abtreibung sinnvoll ist? All diese Frage sind schwierig, betreffen aber zumeist nur den persönlichen Lebensbereich. Im Erzählspiel „Tough Calls“ geht es dagegen um den Fortbestand der gesamten verbliebenen Menschheit, sodass die Entscheidungen nochmal ein ganzes Stück weitreichender sind... „Tough Calls“ enthält zehn Szenarien, jedes davon schlimmer als das vorherige: Umherstreifende Zombies & riesige Monster, amoklaufende Roboter, eine erlöschte Sonne, fleischfressende Bakterien – Von der Menschheit ist wirklich nicht mehr viel übrig geblieben, je nach Szenario zwischen 100.000 und gerade mal 40 Personen, wobei zwei- bis dreistellige Zahlen eigentlich die Regel sind. Fünf Fraktionen haben sich gebildet, welche ganz unterschiedliche Positionen zu den verschiedenen auftretenden Problemfragen haben: Wie wird die Versorgung sichergestellt? Wie kann man eine Seuche eindämmen, welche die letzten verbliebenen Medizinreserven aufbraucht? Wie wird die Sicherheit der Kolonie gewährleistet? Schwierige Fragen, für die es oft keine leichten Antworten gibt. Eine Spielrunde, die je nach Redefreudigkeit der 3 – 5 Spielenden zwischen einer halben und einer ganzen Stunde dauert, läuft dabei in geordneten Bahnen ab: Nach der Wahl und der Verstellung des Szenarios wird die übergeordnete grundsätzliche Szenario-Frage beantwortet, beispielsweise wie man in einer Welt voller Zombies mit Erkrankten umgehen soll. Hiernach beginnt die Fragerunde, in der nacheinander alle Spielenden drei Fragekarten ziehen, eine davon zur Diskussion beziehungsweise zur Beantwortung stellen (ebenfalls reihum durch alle Spielenden) und am Ende jeweils verdeckt abstimmen lassen, wessen Antwort die beste war. Hierbei handelt es sich eher um allgemeine Fragen, die allerdings auch schon schwierig genug sind ;-) Ging das durch einen Flaschenöffner dargestellte Fragerecht einmal rundherum, beginnt die Ereignisrunde, in der eine gezielt auf das Szenario gerichtete Frage gestellt wird (bei den Zombies beispielsweise, dass diese Eingedrungen sind und es sich um Sabotage handelte). Hiernach wird noch einmal heimlich abgestimmt, welche Fraktion insgesamt die besten Lösungen angeboten hat – Diesmal allerdings nicht mit einem „normalen“ Spielmarker, sondern mit dem doppelt zählenden Fraktionsmarker. Anschließend wird ausgezählt, logischerweise gewinnt die Fraktion mit den meisten Stimmen :-) Vermutlich war meine Regelzusammenfassung jetzt nicht sehr galant formuliert, weil ich die verschiedensten Aspekte des Spiels mit in den Text reinquetschen wollte. Im Prinzip ist „Tough Calls“ so simpel, dass die Zusammenfassung des Spielablaufs gerade mal eine drittel Seite des achseitigen DIN-A5-Regelheftchens ausmacht. Der Rest wird gefüllt mit ausführlichen Erklärungen und Spielbeispielen, sodass wohl niemand mehr als fünf Minuten braucht, um sich in die Regelmechaniken hineinzuarbeiten. „Tough Calls“ ist prinzipiell ein wirklich spaßiges Erzählspiel, welches wie alle Genre-Vertreter natürlich von der Motivation der Mitspielenden lebt. Wenn man sich in das Szenario richtig emotional hineinfräst, dann hat man hier einen richtig tollen Spieleabend, an dem man dank der kurzen Runden auch mal drei oder vier Szenarien durchspielen kann :-) Emotional so investierte Spielende werden sich allerdings vielleicht daran stören, dass die Runden so kurz sind (pro Mitspielendem eine Frage plus die obligatorische Einleitungs- & Ereignisfrage), gerade auch wenn man zusätzlich die auf 45 Sekunden begrenzende Sanduhr benutzt. Deshalb eignet sich "Tough Calls" auch weniger als „reguläres“ Spieleabendspiel, denn dann hat man die zehn Szenarien auch schon alsbald durch, sondern eher als spaßiger Rausschmeißer. Aber auch als kleiner Appetithappen, um absolute Neulinge langsam an das Erzählspiel-Konzept heranzuführen. Bei dem Preis von 25 €, welchen „Nice Game Publishing“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt haben) für die mit 70 Spielkarten, 40 Pappplättchen-Markern und etwas Kleinkram (z.B. die Sanduhr) gefüllte und auch als Wahlurne fungierende Spielbox haben möchte, kann man jedenfalls nichts falsch machen. Fazit: Selten hat ein Verlagsname so gut gepasst, denn „Tough Calls: Nach dem Untergang“ (Link) ist ein nice game für Erzählspiel-Neulinge. Aber auch Rollenspiel-Fans bekommen hier einen netten kleinen Snack, wenn sie mal eine halbe bis ganze Stunde überbrücken müssen :-D