Als Kinder der DDR wurde ich mit dem Indianer-Thema ganz anders sozialisiert als die meisten Westdeutschen. Okay, es war nicht mehr lang bis zur Wende, aber die kulturellen Nachwirkungen waren in meiner Kindheit doch beträchtlich! Egal ob DEFA-Kinofilme, antiquarische Jugendromane oder Bildung im Kindergarten, in der Grundschule und sogar daheim – Immer ging es um die „Edlen Wilden“, welche von den imperialistisch-großkapitalistischen US-Cowboys unterdrückt wurden. Und nun will ich auch gar nicht behaupten, dass diese Sichtweise sooooooo weit weg von der historischen Realität war ;-) Jedenfalls wurde die indigene Bevölkerung Nordamerikas immer überhöht, bis zu dem Punkt, dass die George A. Custers letzte Schlacht am Little Big Horn fast schon gefeiert wurde... Aber ja, das war schon ein bedeutendes historisches Ereignis. Aber wie kam es eigentlich dazu? Wer war alles dabei? Und wie verlief die Schlacht? Genau damit befasst sich der neue Historien-Comic „Little Big Horn“ vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), der die wahre Geschichte des Wilden Westens erzählen will. Mit Dr. Farid Ameur konnte hierfür ein renommierter Geschichtswissenschaftler gewonnen werden, welcher für eine authentische Wiedergabe der historischen Ereignisse steht. Also die perfekte Grundlage für solch einen Comic :-) Und nun weiß ich gar nicht, was ich hier eigentlich in diese Rezension schreiben soll? Im Prinzip wissen ja alle, die nicht irgendwie auf den Kopf gefallen sind, worum es bei der Schlacht am Little Big Horn ging: In den Black Hills wird Gold gefunden, was natürlich die Begehrlichkeiten des USA weckt, die gerade eine Finanzspritze brauchen können. Das Gebiet wurde aber dem Sioux-Stamm zugesprochen, welche das für sie heilige Land verständlicherweise nicht hergeben wollen. Also machen die USA, was sie in solchen Fälle halt immer tun, und schicken die Armee hin ;-) An vorderster Front der (im positiven wie im negativen Sinne) wagemutige Ex-Generalmajor und jetzt Oberstleutnant George Armstrong Custer, der mit seinem 7. Kavallerieregiment den Indianern den „American Way of Life“ beibringen will. Die finden das aber mal so gar nicht toll, deshalb verbünden sich die verschiedenen Stämme zu einer riesigen Streitmacht. Und dann nimmt das Unheil seinen Lauf... Beim Lesen dieses Comics hatte ich primär zwei Gedanken: Zum einen fand ich die Zeichnungen ungemein atmosphärisch, man spürt quasi die drückende Hitze der Schlacht, auch wenn es draußen in der Realität grad Minusgrade gibt ;-) Und zum anderen fand ich das Erzähltempo absolut passend gewählt – Es kommt einfach zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf. Nichts zieht sich, aber es wirkt auch nichts überhastet. Sowohl während der Vorgeschichte, welche knapp ein Drittel des 56 Seiten starken Bandes umfasst, als auch während der eigentlichen Schlacht. Jede einzelne Seite hat ihren Sinn, dieser Comic ist gerade im Nischenbereich der historisch korrekten Comics ein Musterbeispiel für ein perfektes Erzähltempo :-D Okay, vielleicht hatte ich noch einen dritten Gedanken, der sich dann aber doch relativiert hat: Die Darstellung der Schlacht wirkte ein wenig zu nah an den Figuren und damit zu unübersichtlich, ein paar strategische Karten wären hilfreich gewesen. Aber wenn man sich dann mal in die Thematik einliest, egal ob im acht Seiten umfassenden, sehr interessanten Nachwort oder einfach auf Wikipedia, dann versteht man den Gedanken hinter der kreativen Darstellung der Ereignisse. Auch Custer und damit seine Untergebenen hatten überhaupt keine Ahnung, was genau wo wie abgeht, sodass man die Ungewissheit und Verwirrung noch besser nachvollziehen kann. Und so finde ich hier tatsächlich nichts zu meckern, das gibt ein hochverdientes positives... Fazit: „Little Big Horn“ (Link) zeigt eindrucksvoll, was ein guter Geschichtscomic in der Vermittlung von historischen Stoffen leisten kann. Empfehlenswert!
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