Der „Splitter Verlag“, der mir dankenswerterweise – oder, wie sich gleich herausstellen wird, mutigerweise – ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte, publiziert nach eigenem Verständnis ja Comics für Erwachsene. Und bisher bezog sich das primär darauf, dass in den Geschichten sehr ernste und damit eben auch erwachsene Themen angesprochen wurden – Von Kapitalismuskritik über Umweltzerstörung und Selbstmord bis hin zu Erektionsstörungen war wirklich alles dabei. Und dafür lieben wir die sympathischen Bielefelder! Aber nun wurde das Verlagsportfolio erweitert, unter dem Slogan „Splitternackt“ wird explizite Erotik verkauft – Oder zumindest das, was irgendwelche franko-belgische Kreative als explizite Erotik verstehen. Finanziell möglicherweise sinnvoll, künstlerisch aber ein Rückschritt – Man denke nur an den erschreckend banalen Fantasy-Porno „Die Göttin“ (Link) aus eben jener „Splitternackt“-Reihe oder die irgendwie fremdschäm-peinliche „Sweet Paprika“-Trilogie (Link). Aber im Zweifelsfall glaube ich tief in meinem Herzen immer noch ganz fest daran, dass der „Splitter Verlag“ weiterhin ein Synonym für konstante Qualität und Comic-Hochkultur ist. Und was soll man bei einer Adaption von Carlo Collodis Kinderbuchklassiker schon falsch machen? Aber tatsächlich ist in diesem im Original bereits 1995 erschienenen 56-Seiter, bis auf die grundlegende Ausgangssituation und bestimmte besuchte Ortschaften (z.B. Gefängnis, Zirkus, Riesenfisch), alles anders. Denn hier erschafft der Tischlermeister Galipetto, angetrieben von seinem magischen Spiegelbild und einer lebenslangen NoNutNovember-Incel-Energy, die hölzerne Sexpuppe Pinoccia. Und es kommt, wie es kommen muss, die wird durch Galipettos aufgestaute Liebesenergie lebendig! Und das ist für Galipetto problematisch, denn Pinoccia ist zwar einerseits im höchsten Maße naiv und in einem noch höheren Maße notgeil und schamlos, andererseits sieht sie ihn aber als ihren Vater an, was sie auch lauthals verkündet – Was natürlich ziemliche Inzest-Vibes hat, weswegen gleich mal beide verhaftet werden. Warum dann aber das halbnackte Opfer zu den Verbrechern in die Zelle gesteckt wird, die natürlich auch sofort übergriffig werden, anstatt der Täter? Das weiß vermutlich nur der Autor Francis Leroi (ja, der Francis Leroi) selbst, der hier eine Geschichte hinschludert, die wie eine Porno-Parodie wirkt. Was vermutlich gar nicht so weit weg von der Realität ist, da er ja ein sehr umtriebiger Regisseur von Erotikfilmen war. Und nun gibt es Zeitgeist und so weiter, und dieser Blog hier ist ja eh so super duper woke, aber dieser ganze Inzest-Humor, diese Vergewaltigungsscheiße und diese hochproblematische Darstellung von Frauen – und ich meine da nicht mal die Zeichnungen von Jean-Pierre Gibrat, die sind noch der Pluspunkt des Comics, sondern die permanente Reduzierung von Pinocchia und anderen Frauen zur Konsumware – hat nun mal gar nix mit Erotik zu tun. Außer man ist irgendwie krank im Kopf, und wenn mich jetzt irgendwer als Kinkshamer oder Incel-Hasser bezeichnet, dann ist das halt so. Fickt euch! Auf diesem „Erzählniveau“ geht es dann jedenfalls weiter: Pinocchia bumst sich auf der Suche nach ihrem Papa oder einem emotionalen Papa-Ersatz durch die Gegend, wobei sie gar nicht die emotionale Reife für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr hat, was die ganzen Männer natürlich schamlos ausnutzen. Dabei fällt sie auch permanent auf zwei Zuhälter herein, die ihr Ruhm und Reichtum versprechen, sie aber stattdessen immer wieder für den schnellen Taler an verschiedenste Erotik-Betriebe verhökern. Aber Pinocchia lernt es halt auch nicht, oder besser gesagt erst ganz zum Schluss, wo auf wenigen Seiten nochmal rasch eine blitzartige Charakterentwicklung (im wahrsten Sinne des Wortes blitzartig) stattfindet. Achja, und weil das ja laut Selbstverständnis ein „Pinocchio“-Märchen für Erwachsene sein soll, wächst natürlich beim Lügen die Oberweite anstatt die Nase. Aber da kann man natürlich Abhilfe schaffen, indem man dem frechen Lügenluder mal ordentlich auf den Arsch haut... Ehrlich, lieber „Splitter Verlag“, was für eine Scheiße musste ich hier lesen? Wieso setzt ihr euren hervorragenden Ruf mit so einem Schund aufs Spiel??? Fazit: Es gibt gute Erotik-Comics, einige davon hab ich sogar hier im Blog besprochen, und manche davon waren sogar vom „Splitter Verlag“. „Pinocchia“ (Link) gehört aber nicht dazu, und das Jahr ist noch jung, aber dieser Sex-Schund ist vermutlich die größte Scheiße 2024 :-(
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