Ich hab in den letzten Jahren ja eine ganze Reihe an franko-belgischen Weltkriegscomics gelesen, in denen mehr oder minder prominent die Widerstandsaktionen der Résistance thematisiert wurden. Bisher ging es dabei fast ausschließlich um den Transfer und das Verstecken von Geflüchteten (z.B. in den beiden grandiosen „Der Krieg von Catherine“ (Link) und „Die Insel der Gerechten“ (Link)), aber mit dem Auftaktband der „Cézembre“-Dilogie wird nun das aktive Eingreifen in Kampfhandlungen thematisiert. Schauplatz ist die Stadt Saint-Malo sowie die vorgelagerte Festungsinsel Cézembre, auf welche angeblich die meisten Bomben je Quadratkilometer abgeworfen wurden. Also ein spannender historischer Hintergrund, der hoffentlich für eine spannende Geschichte sorgt... Die französische Hafenstadt Saint-Malo und ihre vorgelagerten Inselchen sind eigentlich traumhaft schön. Aber dann kommt der 2. Weltkrieg und damit die deutschen Besatzer, welche die Gegend als Teil des Atlantikwalls mit allerlei Bunkern, Kanonen und Minen befestigen – Die titelgebende Insel Cézembre ist größtenteils auch heute noch nicht betretbar, da noch überall Minen vergraben sind. Jedenfalls sterben direkt beim Einmarsch der Nazi-Truppen 1940 sowohl der Vater als auch der Onkel des französischen Jungen Ewan. Über vier Jahre später ist diese emotionale Wunde nicht geschlossen, sodass Ewan und seine Freunde die günstige Gelegenheit nutzen wollen, sich der Résistance anzuschließen. Denn die alliierten Truppen sind nicht mehr weit entfernt und durch kleinere Schmuggelgeschäfte haben sie schon etwas Erfahrung im Austricksen der Besatzungstruppen gesammelt. Doch der deutsche Festungskommandant Oberst von Aulock will nicht aufgeben und bereitet die Stadt mit repressiven Maßnahmen auf ein letztes Gefecht vor. Zudem gibt es kollaborierende Franzosen, welche die Résistance unterwandert haben und so Ewan und seine Freunde in tödliche Gefahr bringen... Mit 76 Seiten Umfang ist der Auftaktband für einen „Bunte Dimensionen“-Comic ungewöhnlich dick, denn normalerweise bringt der kleine Augsburger Verlag (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) ja fast nur kompakte 48-Seiter ;-) Aber eigentlich ist er sogar noch zu dünn, denn hier passiert eine ganze Menge: Vor dem Hintergrund der Belagerungsvorbereitung müssen die Möchtegern-Widerständler Ewan und seine Freunde den Nazi-Häschern entkommen, der französische Kollaborateur sucht erst einen Verräter und dann einen Fluchtweg, der Stadtkommandant muss sich mit Aufruhr und Meuterei rumschlagen, die Résistance-Chefin will eine Bibel mit geheimen Infos zurück und sich zudem für Verrat rächen, dazu noch ein wenig Liebelei und Rumgeballer. Insgesamt eine etwas chaotische Mischung – was ja eigentlich passt, denn so eine Belagerung ist durchaus chaotisch – bei der man gegen Ende ein wenig den roten Faden verliert (zumindest hab ich erstmal skeptisch die Augenbraue hochgezogen, als die Nonne plötzlich mit zwei Pistolen rumgefuchtelt hat ;-)). Ankreiden würde ich dies dem Autor Malfin primär in seiner Funktion als Illustrator, da er zwar sehr gefällige Umgebungen zeichnet, die Figuren sich jedoch recht ähnlich sehen. Beispielsweise hab ich im ersten Moment gedacht, das Love-Interest des Protagonisten wäre zugleich die Stadtprostituierte, weil sich das Gesicht und die Haarfarbe (bis auf Locken statt Pferdeschwanz) sowie der Körperbau und selbst der Halsschmuck so sehr geähnelt haben... Zudem bekommt, obschon die Figurenriege ja recht groß ist, im Prinzip lediglich einer der Antagonisten eine etwas tiefgehendere Hintergrundgeschichte. Schade, hier wären weniger Handlungsstränge definitiv mehr Lesevergnügen gewesen. Nichtsdestotrotz macht dieser Auftaktband doch Lust aufs Finale, denn das Figurenensemble wurde zum Glück bereits ausgedünnt und die eigentliche Schlacht um Saint-Malo und Cézembre steht erst noch bevor – Und wer ein wenig Militärgeschichtswissen mitbringt (oder einfach Wikipedia grindet :-P), der weiß, dass es da noch richtig zur Sache gehen wird... Fazit: „Cézembre #1 Freier Himmer“ (Link) ist definitiv einer der besseren franko-belgischen Weltkriegscomics, die ich bisher gelesen habe, hier wäre jedoch mit weniger Handlungssträngen oder mehr Seiten tatsächlich ein noch größeres Lesevergnügen drin gewesen.
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