Synästhesie ist die Kopplung von zwei oder noch mehr physischen Empfindungen. Manche Betroffene können beispielsweise Farben schmecken. Wenn man diese Begabung (oder, je nach Leidensdruck, Krankheit) dann auch noch mit einem deftigen Drogenrausch und wunderschönen Zeichnungen kombiniert, dann kommt am Ende der Trilogie-Auftaktband „Die Stadt der Lichter“ bei raus... Das Cover des von Olivier Ledroit sowohl geschriebenen als auch gezeichneten Comics ist bereits ein großes Versprechen: Ein heroischer Typ, bewaffnet mit einem Schwert, der durch ein ebenso düsteres wie farbenfrohes Paris wandelt. Das wirklich hübsche Cover verspricht also feine Urban-Fantasy-Kost, da bekommt man gleich Lust auf mehr! Doch leider verspricht es ein wenig zu viel, denn der „Das dritte Auge“-Auftaktband bietet zwar die erwarteten wunderbaren Zeichnungen (mit Einschränkungen, dazu gleich mehr), feine Urban-Fantasy-Kost gibt es aber kaum. Vielmehr ist, von einigen ganz wenigen Einzelszenen abgesehen, dieser Band vielmehr eine Art Origin-Story, um die Fähigkeiten des Protagonisten Mickaël kennenzulernen. Dieser ist Synästhetiker, was sich nicht unbedingt mit seinem Drogenkonsum verträgt, denn irgendwann scheint er es übertrieben zu haben: Plötzlich sieht er die oft farbenfrohen Auren seiner Mitmenschen! Und nicht nur das, er sieht auch fiese Monster, die ihm in der U-Bahn an den Kragen wollen. Ein wenig zweifelt er da auch an sich selbst, doch sein Lehrmeister, ein fachkundiger Mediävist mit Interesse an Astrologie und anderem Esoterikquatsch, vermittelt ihn an einen Freund. Und dieser glaubt Mickaël nicht einfach nur, sondern führt ihn auch ein in eine Phantastik-Welt, die man nur mit dem dritten Auge sehen kann. Und dann absolviert Mickaël das obligatorische Training und dann ist er, fast schon wie Neo in den „Matrix“-Filmen, der Auserwählte ;-) Denn seine Fähigkeiten sind stärker als erwartet, denn in einem schier endlosen Herauszoomen verlässt sein Bewusstsein irgendwann sogar das Universum! Und dann gibt es noch einen kleinen Kampf und dann ist dieser Auftaktband auch schon vorbei... Wirklich kennengelernt hab ich auf diesen 112 Seiten niemanden, auch wirklich verstanden habe ich eigentlich nichts. Aber immerhin hatte ich was fürs Auge! Denn die Zeichnungen von Olivier Ledroit sind – solange er sich nicht an Gesichtern versucht, weil die sind mega gruselig – der absolute Wahnsinn! Farbenfroh an eine Mischung aus Kreide- & Pastellzeichnungen erinnernd, spürt man beim Lesen auch ohne Synästhesie den Drogenrausch des Protagonisten :-D Allein aus optischen Gründen lohnt es sich schon, mal in das vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) mit 22 € bepreiste Großformat-Hardcover reinzuschauen. Vom Inhalt her sollte man lieber auf die Fortsetzung warten, um abzuklären, ob es doch noch spannende Urban-Fantasy gibt oder ob Ledroit weiter in den esoterischen Drogenrausch abgleitet... Fazit: „Das dritte Auge #1 Die Stadt der Lichter“ (Link) bietet richtig tolle Zeichnungen, inhaltlich ist der Trilogie-Auftaktband aber noch arg dünn.
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