Fred Duval ist ein franko-belgisches Comic-Universaltalent. Er erschafft nicht nur herausragende SciFi-Kost (z.B. „Reset“), sondern schafft es auch, ausufernde Romane in spannende Graphic Novels umzuwandeln. Nach „Schwarze Seerosen“ (Link) bearbeitete er nun erneut ein Werk des französischen Autors Michel Bussi. Ob ich wieder so begeistert sein würde? 1980 stürzt ein Passagierjet in den französischen Alpen ab. Alle Insassen sterben – bis auf einen Säugling, der nun allerdings von zwei Familien beansprucht wird: Auf der einen Seite die bodenständige Frittenverkäufer-Familie Vitrals, auf der anderen Seite die schwerreichen Carvilles. Letztlich muss ein Gericht entscheiden, nur fußend auf sehr schwachen Indizien, und spricht Émilie den Vitrals zu. Natürlich können sich die Carvilles mit dieser Niederlage nicht abfinden, sodass sie einen Ex-Söldner als Detektiv beauftragen, damit er noch die entscheidenden Hinweise findet. Ganze 18 Jahre ermittelt er, doch erst in der Nacht von Émilies 18. Geburtstag, als er sich aus Verzweiflung über sein Scheitern das Leben nehmen will, findet er den entscheidenden Hinweis! Und dann ist er plötzlich tot! Ermordet offensichtlich, die Geheimnisse ins Grab nehmend. Zwar hat er seine Notizen in einem Tagebuch niedergeschrieben, welches er Émilie vermacht, doch letztlich liegt es an ihrem Bruder Marc, die entscheidenden Puzzleteile zusammenzufügen. Denn was in diesem Tagebuch steht, scheint Émilie so verunsicher zu haben, dass sie wie vom Erdboden verschluckt ist... „Das Mädchen mit den blauen Augen“ ist eine ganz hervorragende Mischung aus klassischem Kriminalfall (Zu welcher Familie gehört Émilie und wie kann man das beweisen?) und intensivem Familiendrama, bei dem die Sympathien der Lesenden auch immer mal wieder wechseln. Klar wollen die Carvilles mit ihren Millionen sozusagen erzwingen, dass es doch ihr Kind ist, aber letztlich tun sie es doch nur, weil der Schmerz über den möglichen Verlust ihres Enkelkindes zu groß ist – Vielleicht sind einige ihrer Methoden moralisch zweifelhaft, aber würden wir nicht auch so reagieren, wenn es um unsere Kinder ginge? Die Geschichte wird dabei aus zwei Perspektiven erzählt: Einerseits der des Detektives, der seine Ermittlungen (z.B. Tatortbesichtigungen, Verhöre, Spurenanalyse – klassische Kriminalkost) niedergeschrieben hat, und andererseits aus der Perspektive von Marc, der diese Aufzeichnungen liest, während er seine verschwundene Schwester sucht. Dadurch gibt es Zeitsprünge, verschiedene Blickwinkel, falsche Fährten, überraschende Plottwists – Eben alles, was so ein guter Krimi-Comic braucht :-) Dazu sind die Zeichnungen überaus solide, da lesen sich die 176 Seiten wie im Flug (ich hab trotzdem fast 2 Stunden gebraucht). Also ein echtes Krimi-Meisterwerk, dass der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) da ins Programm aufgenommen hat. Fazit: „Das Mädchen mit den blauen Augen“ (Link) ist das beste Krimi-Drama, das ich bisher in diesem Jahr gelesen habe. Die Kombi aus Michel Bussi als Roman-Autor und Fred Duval als Comic-Umsetzer funktioniert einfach hervorragend!
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