Der Indie-Verlag „Obscurati Publishing“ hat sich innerhalb kurzer Zeit bereits zu einem echten Rollenspiel-Kraftpaket für tendenziell eher regelleichte, rasch vorbereitbare Spielsystemen gemausert: „Tiny Dungeon 2. Edition“ (Link) hat letztes Jahr verdientermaßen gleich mal den „Goldenen Stephan“ (Link) abgeräumt, in der nahen Zukunft steht „Old School Essentials“ (Link) ins Haus. Und bereits jetzt ist mit „In die Finsternis“ ein tödliches OSR-System erschienen, welches zudem ein paar „moderne“ Spielmechanismen bietet.
Die Welt von „In die Finsternis“ ist ziemlich dunkel-düster, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Die Sonne gibt’s nicht mehr, dafür gehen in der Dunkelheit die Monster um. Besonders schlimm sind die Nachtmahre, welche die letzten paar menschlichen Feuerstellen auspusten und die Bevölkerung verschleppen, damit diese zu neuen Monstern werden. Also keine fröhliche Angelegenheit, aber da muss doch mal jemand was dagegen tun? Und da kommen die SchwarzwandererInnen ins Spiel: Das sind die ganz wenige Menschen, die aus irgendeinem Grund der Finsternis nicht sofort anheim fallen, sodass der Orden der Silberflamme (der immerhin noch ein klein wenig Licht aus den Tiefen der Erde fördern kann) sie für ihre gefährlichen Missionen reichhaltig belohnt. Und darum geht es dann in „In die Finsternis“ im Prinzip: Rein in die Dunkelheit, gefährliche Aufträge überleben, dabei nicht der Verderbnis erliegen (denn sonst wird der Orden der Silberflamme ganz schnell zum Feind) und am Ende genug Notgroschen für einen schönen Lebensabend beiseite legen.
Vier Charakterklassen gibt es bei „In die Finsternis“ zur Auswahl, die allesamt eigene Fähigkeiten und auch Möglichkeiten zur Charakterentwicklung mitbringen: KundschafterInnen sind ja recht selbsterklärend, LichtträgerInnen können die Silberflamme magisch nutzen, SchattenbändigerInnen können mit den Monstern der Finsternis interagieren und SchwarzjägerInnen prügeln einfach alles kaputt ;-) Die Erstellung eines eigenen Charakters geht dabei recht schnell, im Prinzip gibt man einfach einem der drei Attribute Intuition, Kraft & Wille einen Punkt (die restlichen beiden starten auf 0; dazu kommen zwei Punkte für die Attributsabhärtung bei Widerstandsproben), wählt eine der Klassenfähigkeiten und eine besondere Aktion. Dann trägt man sich noch sechs Trefferpunkte ein, jeweils null Stress & Verderbnis, und zuletzt kauft oder mietet man sich mit den ausgewürfelten Startgroschen ein wenig Ausrüstung. Fertig, also ab in die Finsternis und ordentlich Beute machen :-D
Die Proben werden mit einem Pool aus sechsseitigen Würfeln abgehandelt, wobei eine gewürfelte Sechs das optimale Ergebnis darstellt. Mehrere Sechsen sind natürlich noch besser, aber auch eine gewürfelte Vier oder Fünf sind noch ganz annehmbar, auch wenn dieser Teilerfolg mit einem Nachteil (z.B. halbierten Schaden oder negativen Konsequenzen) daherkommt. Der Würfelpool stellt sich dabei zusammen aus der Höhe des Attributs plus diversen Boni & Mali (z.B: +1, wenn man Stress nimmt oder über eine relevante Aktion verfügt). Im ungünstigsten Fall kann man so am Ende sogar einen Pool aus null Würfeln haben, dann nimmt man einfach zwei Würfel und nutzt das schlechtere Ergebnis. Kommt es zu negativen Konsequenzen, kann man versuchen diese mit einer Widerstandsprobe (Attribut + Abhärtung) abzuwehren. Schaden wird dagegen kumulativ durch Rüstung aufgehalten beziehungsweise vermindert. Da man aber zu Beginn nur über sechs Trefferpunkte verfügt, der allermeiste Schaden jedoch 1W6 beträgt, sollte man sich nicht zu sehr auf die Rüstung verlassen ;-)
Tja und dann kann man auch schon rein in den Dungeon (oder wo auch immer man halt hingeht) um Aufträge zu erfüllen. Dabei wird man bei „In die Finsternis“ mit einem Genre-Mischmasch konfrontiert, der auf den ersten Blick sehr verwirrend erscheint: Einerseits wirkt alles wie klassische Fantasy, also es gibt schwertschwingende Ritter, zaubernde Ordensleute und sogar Drachen. Andererseits sind die Handlungsorte aber aus der Gegenwart, also beispielsweise Sportstadien, Hochhäuser und U-Bahn-Tunnel... Klar, „In die Finsternis“ will Horror-Post-Apokalypse sein, aber sowohl meine Testspielerinnen als auch ich haben uns anfangs schwer getan in dieses Setting hineinzufinden. Das lag für mich als Spielleitung auch daran, dass das 56 Seiten dünne Hardcover-Büchlein platzbedingt eher wenig von der Spielwelt preisgibt. Wobei man natürlich andererseits auch argumentieren kann, dass das gesamte Spielkonzept eh darauf ausgelegt ist, nur ein paar OneShots oder maximal eine Kurzkampagne zu spielen, da braucht man nicht alles vorgekaut zu bekommen ;-) Dadurch haben kreative Spielleitungen natürlich viele Freiheiten. Und gerade die fünf kurzen Beispielsszenarien zeigen dann auch schön, welche Bandbreite man von klassischer Dark-Fantasy bis hin zur Hardcore-Horror abdecken kann.
Im Gegensatz zum Setting schafft das Regelbüchlein es ganz gut, mir als Spielleitung zu zeigen, was ich für Abenteuer erstellen und managen soll. Interessant fand ich dabei besonders den Abbrennmechanismus der Silberflamme (sozusagen eine „Superlaterne“, welche aber von einem Charakter getragen werden muss), durch welchen sich die Länge eines Abenteuers ziemlich gut steuern lässt. Und dieses „Schaffen wir es noch heim, eh das Licht ausgeht?“-Gefühl sorgt bei den SpielerInnen gerade gegen Ende für ein konstantes Bedrohungsgefühl. Auch das Ausrüstungsmanagement ist spielmechanisch gut und einfach gelöst, da es die Spielenden immer wieder zu Abwägungen zwingt (Mieten oder Kaufen? Viel erbeuten, denn das bringt Notgroschen für die Ruhestand, aber dafür dann draufgehen weil man zu langsam ist?). Und richtig toll fand ich generell die Aufmachung von „In die Finsternis“: Dafür, dass es eigentlich nur schwarz-weiß ist (mit gelegentlichen Kupfer-Farbtupfern, übrigens auch sehr edel auf dem Cover), sieht es schon sehr stylisch aus. Man merkt, dass im Original „Into the Dark“ viel Liebe steckt und dass auch „Obscurati Publishing“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) hier viel Energie in Layout & Lektorat investiert hat.
Fazit: „In die Finsternis“ (Link) ist eine spannende Interpretation des tödlichen OSR-Dungeon-Crawlings. Für mich persönlich ist die Setting-Mischung aus Dark-Fantasy, Post-Apokalypse und Horror aller Art ein wenig konfus, spielmechanisch ist das aber sehr interessant – Für eine Convention-Runde oder eine Mini-Kampagne werde ich das zweifelsohne wieder mal aus dem Schrank holen :-)