Ich fange jetzt nicht wieder mit dem üblichen Blabla an, dass „Black Hammer“ die großartigste Superhelden-Dekonstruktion des letzten Jahrzehnts ist und dass immer mal wieder SpinOff-Comics gibt, welche einfach nur die pure Geldmacherei sind. Könnt ihr alles nachlesen in meinen vielen Rezensionen, beispielsweise in der mit „Visions #1“ am besten vergleichbaren SpinOff-Kurzgeschichtensammlung „Straßen von Spiral City“ (Link). Damals war ich jedenfalls eher skeptisch, folgerichtig war ich das hier auch... Bei „Visions“ handelt es sich um insgesamt acht Kurzgeschichten aus den Federn von sehr renommierten Autoren und Zeichnern, welche in insgesamt zwei Sammelbänden vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) veröffentlicht werden. In ihnen geht es um kleinere Geschichten und Gedankenspiele rund um das „HammerVerse“, also das mittlerweile stark angewachsene Comic-Universum von Jeff Lemire.
Transfert Student beschäftigt sich mit der Frage, wie es wohl für die Schülerinnen und Schüler wäre, wenn sie mit Golden Gail (also der im Körper eines zehnjährigen Kindes feststeckenden, eigentlich fünfzigjährigen Superheldin) gemeinsam die Schulbank drücken müssten. Ich verrate nur so viel: Gail liebt Sex, Rauchen, Alkohol und ist der pure Zynismus...
In dem blutigen The Cabin of Horrors erfahren wie die Origin-Story von „Kid Dragonfly“.
Das Highlight des Sammelbandes trägt den Namen Uncle Slam und dreht sich um die toxische Männlichkeit von Abraham Slam. Der Superheld ist in die Jahre gekommen und will einfach nicht einsehen, dass sein regierungstreuer, schießwütiger Nachfolger nun an seiner Stelle die Lorbeeren kassiert.
Bevor der 128 Seiten starke Sammelband mit allerlei Skizzen endet, wird es bei bei der letzten Kurzgeschichte (die irgendwie keinen eigenen Titel hat, oder ich hab ihn überlesen?) noch einmal richtig abgedreht: Die „Black Hammer“-Figuren als DarstellerInnen in einer Seifenoper, die wiederum DarstellerInnen in einer Seifenoper sind. Sehr verwirrend, aber sehr gut und nebenbei auch noch sehr hübsch gezeichnet :-)
Insgesamt haben mir die ersten vier der acht Kurzgeschichten allesamt gefallen, wobei ich natürlich auch einen Favoriten hatte (nämlich „Uncle Slam“, wobei „Transfer Student“ dicht dahinter war). Es ist schon ausgesprochen interessant, welche Bandbreite an Genres und Geschichten man mit den althergebrachten Figuren so abdecken kann. Dass die einzelnen Episoden dabei, gerade wenn sie richtig abdrehen (wie die Seifenoper-Stor), eher wie Fan-Fictions wirken, sollte dabei für die „Visions“-LeserInnen kein Problem darstellen. Denn „Fans“ ist das richtige Stichwort, genau für diese ist dieser Sammelband gemacht. Wer noch nie „Black Hammer“ gelesen hat, wird hiermit nichts anfangen können. Wer das aber mag, wird auch gern bereit sein, die 19,80 € in ein Merchandise-Produkt (denn nichts anderes ist „Visions #1“) zu investieren. Fazit: „Black Hammer: Visions #1“ (Link) ist „nur“ ein Merchandise-Produkt für die Fans von Jeff Lemires Superhelden-Dekonstruktion. Aber dafür ein wirklich gutes :-)
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