Was hat die deutschsprachige Rollenspiel-Szene letztes Jahr wohl am meisten vorwärts gebracht? Viele würden vermutlich irgendwas mit „Dungeons & Dragons“ sagen (beispielsweise dass dank „Wizards of the Coasts“ Publikationsübernahme das populärste Rollenspiel jetzt billiger (Link, ca. ab Minute 33) wurde). Ich dagegen setze mein Geld auf die beiden Jungs von „Donnerhaus“, welche dank einer Streaming-Kooperation mit dem Youtube/Twitch-Phänomen „LeFloid“ (Link) rund um ihr neues Rollenspiel "Freude schöner Götterfunken" viele zehntausende Szenefremde erstmals mit dem Hobby in Kontakt brachten. Mehr dazu könnt ihr hier im Podcast nachhören...
Aber was hat das jetzt mit der Graphic Novel "Operation Strudel" zu tun?
Dieses Streaming war so erfolgreich, dass es von den Zuschauenden allerlei Fan-Art gab und natürlich auch das Bedürfnis, immer mehr von den Abenteuern der ProtagonistInnen (eine zusammengewürfelte Truppe der österreich-ungarischen Armee im 1. Weltkrieg) zu erfahren. Ein besonderes Interesse gab es dabei an der unveröffentlichten Probe-Session, bei der die beiden „Donnerhäusler“ Torsten & Tobias den StreamerInnen das Konzept des Rollenspiels näher brachten, ihnen die grundlegenden Spielmechanismen erklärten und sie auch erstmals ihre Charaktere ausprobieren ließen. Letztlich entschied man sich dagegen, diese „jungfräuliche“ Spielsessionen noch einmal für die Kamera zu wiederholen, stattdessen „beförderte“ man den Fan-Artist Andreas Kradolfer zum Comic-Illustrator. Torsten und Tobias steuerten die Texte bei, schon hatte man eine 56 Seiten dicke Graphic Novel ;-)
Die eigentliche Geschichte ist rasch erzählt: Mitten im 1. Weltkrieg wird ein kleiner, bunt gemischter Trupp der österreich-ungarischen Armee auf ein „Geheimmission“ geschickt. Offiziell sollen sie das von den russischen Truppen verlassene Dörfchen Vojkowitz plündern (nicht nur, aber auch, um die Zutaten für den titelgebenden Apfelstrudel zu finden), inoffiziell sollen sie nach der St. Georgen-Kapelle suchen, welche in der späteren Rollenspiel-Kampagne noch von Bedeutung sein wird. Und dann erleben die verschiedenen Charaktere (u.a. ein Soldat der Strafkompanie, ein Feldkoch und eine Ordensschwester) halt die typischen kleinen Abenteuer, die man in einem Rollenspiel-OneShot so erwartet: Alle bekommen ihre Charaktermomente, es gibt ein wenig soziale Interaktion, dazu ein paar kleinere und größere Gefechte. „Operation Strudel“ ist wirklich zuvorderst eine hübsch illustrierte, gut lesbar mitgeschriebene Rollenspiel-Session!
Aber als das funktioniert diese Graphic Novel überraschend gut, wenn man den Zusammenhang kennt (was die Streaming-Fans ja tun, auch ich bin nach ein paar Youtube-Videos durchgestiegen ;-)). Und mehr will sie auch nicht sein – Aber andererseits, dafür, dass sie nicht mehr sein will, ist die Produktionsqualität enorm! Das im queren DIN-A4-Format gedruckte Buch fühlt sich überaus wertig an, die Illustrationen sind hübsch (leider gibt es meist nur eine pro Seite) und Lektorat & Layout haben gut gearbeitet. Man bemerkt auf jeder Seite, dass das „Donnerhaus“-Duo (welches mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) selbst bei so kleinen Nebenprojekten mit hundertprozentiger Energie dabei ist. Dafür hat diese Qualität mit 25 € auch ihren Preis, das ist schon deutlich im oberen Bereich, aber hier handelt es sich so gesehen ja eh um Merchandise. Alle, die noch nie von „Freude schöner Götterfunken“ gehört haben, werden damit nichts anfangen können; „Operation Strudel“ ist schon sehr eindeutig darauf ausgelegt dass man die ProtagonistInnen des Rollenspiels und das gesamte Worldbuilding kennt.
Fazit: Merchandise-Produkte sind mitunter ja nur dazu da, um Fans mit Ramschqualität mal schnell das Geld aus der Tasche zu ziehen. Bei „Operation Strudel“ (Link) ist das anders: Ja, diese Graphic Novel richtet sich von ihrer Konzeption her nur an Fans, aber die bekommen für ihr Geld eine wirklich hohe Produktionsqualität. Typisch „Donnerhaus“-Qualität eben ;-)