Über die Grundprämisse der „Androiden“-Anthologiereihe hab ich ja bereits vielfach geschrieben, zuletzt in der Einleitung meiner Rezension des gelungenen 8. Bandes „Odissey“ (Link). Daher, die Fans dieses Blogs wissen bereits alle, dass es in den Comics um die drei Gesetze der Robotik geht: Erstens darf kein Mensch durch einen Roboter bzw. hier Androiden verletzt werden; zweiten ist menschlichen Befehlen immer Folge zu leisten (außer es kollidiert mit §1) und drittens gilt es die eigene Roboter-Existenz zu beschützen, solange dies nicht mit § 1+2 kollidiert. Und an eben jene Regeln haben sich die titelgebenden Androiden in den bisherigen Bänden immer gehalten (zugegeben mal mehr, mal weniger). Doch in „Der Hirte“ gelten diese Gesetze plötzlich nicht mehr! Ein Raumschiff stürzt auf die Erde, ein einziger Androide überlebt. Kein Problem, denn er hat Strom für über 9000 Jahre und einen ausgeprägten Überlebensinstinkt. Aber wie kommt man von diesem Planeten wieder herunter? Enkidu, so wird der hochentwickelte Forschungs- & Kampfroboter später genannt, hat einen verwegenen Plan: Er will den kulturellen und technologischen Fortschritt erzwingen, indem er den primitiven Urzeit-Menschen sein Wissen vermittelt. Und das klappt auch immer ganz gut, schnell entstehen die ersten Hochkulturen, doch stets macht der menschliche Egoismus seine Pläne zunichte. Als er in seiner Verzweiflung dann auch noch die abrahamitische Religion „erfindet“, geht wirklich alles den Bach runter... Eine „übernatürliche“ Macht, die in das Schicksal der Menschen eingreift und zu all den bedeutenden Höhe- und Tiefpunkten in der Geschichte anwesend ist, das gab es schon vielmals. Nicht nur, aber auch vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), beispielsweise denke ich da an die Fantasy-Reihe „Roma“ (Link). Und tatsächlich ist der Vergleich auch qualitativ passend, denn so wie diese Reihe mit jedem Band schwächer wurde, werden auch die einzelnen historischen Ereignisse in „Der Hirte“ schwächer: Anfangs ist man noch ganz euphorisch, als Enkido die ersten Menschen kennenlernt und sie in die sumerische Hochkultur führt, auch die „Gotteserscheinung“ mit Abraham ist noch ein sehr interessantes Gedankenspiel. Aber dann flacht die Spannungskurve krass ab, denn im Prinzip passiert immer das Gleiche: Enkido powert eine Weltmacht hoch (z.B. das römische Reich und sogar Nazideutschland) und trifft dabei auf historische Persönlichkeiten (z.B. Leonardo da Vinci, Niccolò Macchiavelli und Adolf Hitler), aber am Ende lassen widrige Umstände in Form des menschlichen Faktors seine Pläne scheitern. Und so geht es ein ums andere Mal, bis die Geschichte in der nahen Zukunft endet. Dabei stört besonders die wechselhafte Verhaltensweise des Protagonisten: Einerseits will Enkido unbedingt von der Erde weg und vermittelt den Menschen deshalb sein Wissen. Aber andererseits nutzt er seine technologische Überlegenheit (um im Nahkampf gegen den stärksten Menschen überhaupt gleiche Chancen zu haben, muss er seine Fähigkeiten auf 12 % runterregeln, und dazu kommen noch „Superangriffe“ wie Stromschläge) eben nicht konsequent aus, um sich einfach selbst zum Herrscher aufzuschwingen, obwohl er öfters mal Leute wegschnetzelt. Stattdessen vergeudet er seine kostbaren Energiereserven lieber damit, um beispielsweise als Nomadenzauberer Abrahams Kinder zu bespaßen... Hier merkt man dann doch stark, dass der Szenarist Antoine Traqqui seine Geschichte irgendwie zurecht biegen musste, damit sie in das „Androiden“-Narrativ (also Roboter als Diener der Menschen) hineinpasst. Nichtsdestotrotz möchte ich den von mir eben noch aufgestellten Vergleich zu „Roma“ dann doch nicht einfach so stehen lassen, denn so schlecht wie „#4 Blut von meinem Blut“ (Link) wird diese Geschichte hier niemals. Klar, die ständigen Wiederholungen (obschon sie nur rund 1/3 des 56 Seiten starken Hardcover-Bandes ausmachen) ziehen sich ein wenig, aber es gibt doch einige Szenen, die beim Lesenden starke Emotionen auslösen. Diese müssen nicht immer gut sein (der gesamte Nazideutschland-Teil ist, selbst wenn er für Enkidos Charakterentwicklung wichtig ist, hart an der Geschmacksgrenze), aber immerhin löst „Der Hirte“ irgendwelche Emotionen aus – Und das haben bisher nicht alle Bände der „Androiden“-Reihe geschafft. Fans der Reihe dürfen also, auch wegen Sylvain Ferrets ansehnlichen Zeichnungen, den Auftaktband des 3. Zyklus bedenkenlos kaufen. „Androiden“-Neulinge sollten aber, gerade weil die plakativ vor sich hergetragenen Asimov'schen Gesetze hier völlig ignoriert werden, lieber mit einem anderen Band starten. Fazit: „Androiden #9 Der Hirte“ (Link) hat inhaltlich überraschend wenig mit der ursprünglichen Anthologie-Grundprämisse zu tun, funktioniert trotz schwachem Mittelteil aber gut über das Schüren verschiedener Emotionen bei den Lesenden. Bei weitem nicht der beste Band, aber einer der wenigen „Androiden“-Bände, die wohl dauerhaft im Gedächtnis bleiben werden.
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