Alte, einsame und verwinkelte Herrenhäuser sind ja immer wieder ganz wunderbare Schauplätze für gruselige Geschichten – Sei es in Rollenspielen (Link), Romanen (Link) oder eben auch Comics (Link). Und ich kann hier schon in der Einladung spoilern, der Künstler Ma Yi illustriert und koloriert im „Sheridan Manor“-Auftaktband ganz wunderbar atmosphärisch, er holt wirklich alles aus diesem Grusel-Setting heraus. Ob da die eigentliche Geschichte von Jaques Lemontagne mithalten kann?
Die Handlung beginnt im winterlichen Quebec des Jahres 1922. Der Protagonist Daniel kommt mit seinem Pferdeschlitten von der Straße ab und droht im zerbrechenden Eis eines zugefrorenen Sees zu ertrinken. Doch kurz vor knapp wird er von Mickhai, dem ebenso großen wie dummen Diener des Sheridan-Anwesens, vor dem Kältetod gerettet. Angus Mac Mahon, der letzte Erbe dieses einsam gelegenen Herrenhauses, nimmt sich dem Verunfallten an und hilft dabei, ihn wieder aufzupäppeln. Doch nicht ohne Hintergedanken: Erst soll er sich um die an Katatonie erkrankte Nichte Edana kümmern, dann in einer albtraumhaften Paralleldimension den verschollenen Bruder von Angus finden...
Das ist im Prinzip auch schon die gesamte Geschichte dieses 56 Seiten starken Auftaktbandes, welcher neben der eigentlichen Handlung auch ein paar Bonusseiten mit Skizzen enthält. Zugegeben, das mag auf den ersten Blick recht dünn wirken, aber die Offenbarung der jeweiligen Geheimnisse (manchmal in Rückblenden, manchmal durch die Neugier der Figuren, manchmal auch als klischeehafter Bösewicht-Monolog) füllt die Seiten des vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) mit glatten 16 € bepreisten Hardcover-Bandes. Interessant an der Geschichte ist, und manche Genre-Fans mögen das Vor- oder Nachteil erachten, dass Daniel als der Protagonist eine sehr ambivalente Figur ist. Wobei, eigentlich ist das noch recht schönfärberisch, denn als Krimineller (der gegenüber der wehrlosen Edana auch noch zudringlich wird!) ist er moralisch kaum besser als die mordenden und/oder teufelsanbetenden Nebenfiguren. Möglicherweise kommt da im Abschlussband noch der große Story-Twist, immerhin wird ja schon das Klischee der schweren Kindheit angedeutet, aber bisher hätte ich keinerlei Probleme damit gehabt, wenn Daniel von so einem Alptraum-Monster zerfleischt worden wäre... Davon abgesehen, ich habe es ja schon in der Einleitung geschrieben, „lebt“ dieser Comic vor allem von seinen wundervoll düsteren Zeichnungen – Die wirken umso großartiger, je kleiner die Sprechblasen sind ;-)
Fazit: „Sheridan Manor #1 Das Tor von Gehenna“ (Link) ist ein atmosphärischer Grusel-Comic, dessen Auftaktband gerade wegen der großartigen Zeichnungen gefällt. Die eigentliche Geschichte geht, trotz einiger Genre-Klischees und dem unsympathischen Protagonisten, auch in Ordnung, sodass ich für Grusel-Fans eine Empfehlung ausspreche.