„5 Sterne sind noch zu wenig“ – Für das Solo-Spielbuch „Die Klabauter Chroniken“ findet man bei Amazon ausschließlich solch überschwänglichen Rezensionen. Und ihr kennt mich, wenn irgendwo ausschließlich gejubelt wird, dann werde ich skeptisch...
„Die Klabauter Chroniken“ ist ein Solo-Spielbuch, welches auf einer realen Piraten-LARP-Truppe basiert. Das mag erklären, warum manche Namen für dieses Fantasy-Karibik-Setting ungewöhnlich deutsch klingen, aber eigentlich kann das der Spielfigur auch völlig egal sein. Denn die ist einfach nur froh, dass sie von der Besatzung des „Klabauter“-Dreimasters aus Seenot gerettet wird. Und weil sie einen ziemlich patenten Eindruck macht, darf sie sich sogar der Crew anschließen, denn für eine Befreiungsaktion braucht man noch einen kampfkräftigen Helfer... Die Geschichte, erzählt auf 307 Seiten beziehungsweise in 342 Spielbuchabschnitten, teilt sich dabei in drei Kapitel auf:
1. Als Die neue Krabbe muss man sich den Respekt der Schiffsbesatzung erarbeiten, indem man kleine Aufgaben und Herausforderungen (z.B. bestiehl die gegnerische Kapitänin) meistert. 2. Anschließend vergnügt man sich in Victors Hinterpforte – Nein, nicht was ihr jetzt wieder denkt :-P 3. Und dann das große Finale mit dem Namen Donnertrommel, auf welches die ganze Zeit hingearbeitet wird: Eine Rettungsmission, in der man eine schwer bewachte Festung stürmt.So geradlinig die Geschichte prinzipiell ist, so verzweigt sind die verschiedenen Wege zum Ziel. Nicht nur, dass es zahlreiche Möglichkeiten zum Abbiegen von der Hauptgeschichte gibt (wobei es schon recht eindeutig ist, dass man das tun soll), auch für das Erreichen der jeweiligen Ziele werden immer mehrere – und meistens sogar allesamt logische – Auswahlmöglichkeiten angeboten. Das erhöht die Wiederspielbarkeit, ich denke zwei Durchgänge sollten es mindestens sein. Wobei auch dann noch offene Fragen bleiben, weil teils deutlich auf einen bald erscheinenden 2. Band hingearbeitet wird. Spielmechanisch bleibt das Solo-Spielbuch recht konservativ. Neben dem grundlegenden Spielprinzip (an den meisten Enden eines Abschnitts gibt es mehrere Auswahlmöglichkeiten, die auf den jeweils nächsten zu lesenden Abschnitt verweisen) gibt es eine rudimentäre Inventarverwaltung und ein einfaches W20-Kampfsystem: Rundenweise kann man einen Gegner angreifen, der schlägt dann zurück (bzw. die, falls es mehrere sind). Erst gibt es einen Angriffswurf, bei Erfolg dann vom Angegriffenen einen Verteidigungswurf, jeweils muss ein Zielwert unterwürfelt werden. Wenn der Angriffswurf klappt, der Verteidigungswurf des Ziels aber fehlschlägt, würfelt man den Schaden. Und irgendwann ist jemand tot :-D Gewürfelt wird auch zu anderen Gelegenheiten, und damit komme ich nochmal zum Anfang meiner Rezension zurück. Denn als ich bei Spielbuchabschnitt 1 begann, hab ich mir ehrlicherweise gedacht „Na das kann ja heiter werden, wenn das jetzt schon so losgeht...“ – Denn „Die Klabauter Chroniken“ macht zwar wirklich Spaß, hat aber einige wenige spielerische Schwächen. Und genau solch eine gibt es im Abschnitt 1: Es gibt Momente, in denen nur das Glück entscheidet. Man würfelt einen W6 und dann kommt ein zufälliges Ergebnis heraus, welches des Fortgang der Handlung beeinflusst. So etwa hier, je nach Würfelglück kommt man entweder zu einem Stückchen der eigenen Hintergrundgeschichte, man wird angegriffen (und stirbt mit etwas Pech beim darauffolgenden Abschnitt, wenn man dann die falsche Wahl trifft) oder man setzt die Geschichte einfach fort, ohne dass es scheinbar irgendwelche Konsequenzen gibt... Und das passiert zwar nicht oft, aber doch immer wieder. Manchmal ändert sich dabei die Story nur minimal (beispielsweise, ob man selbst einen genialen Einfall hat oder doch jemand anderes), manchmal nicht – Aber eigentlich möchte ich schon selbst für mein Versagen verantwortlich sein ;-) Auch ein paar mehr Spielhinweise wären schön (Beispielsweise, wenn man ein Freudenmädchen – progressiverweise auch in der männlichen Variante – auswählt, haben manche deutlich positive, andere eher negative Effekte. Aber woher weiß ich das vorher? Oder weniger schlüpfrig, eine Tür führt zum Ziel, die andere ins Verderben. Da wären ein paar Tipps hilfreich, damit ich die richtige auswähle...) sowie einige Regelkonkretisierungen (etwa, was passiert, wenn ich irgendwo Geld zahlen muss, aber keines besitze – zurück zum letzten Abschnitt oder weiterlesen, aber ohne Effekt?) und ein nachvollziehbareres Balancing (ein Messer macht so viel Schaden wie ein Faustschlag, aber ein Knüppel macht mitunter mehr Schaden als ein Kurzschwert oder ein Speer). Aber das sind im Prinzip Kleinigkeiten, die man vor allem dann bemerkt, wenn man ein erfahrener Spielbuch-Fan ist und Swen Harder (Link) für eine Gottheit hält ;-) Und vor allem sind das Kleinigkeiten, die man in der Fortsetzung zumeist leicht abstellen kann. Denn eines muss man immer bedenken: Dafür, dass „Die Klabauter Chroniken“ ein selbstverlegtes Erstlingswerk ist, ist es bewundernswert rund geraten! Die Geschichte ist vorwärtsdrängend erzählt und unterhält gut, die Spielmechaniken funktionieren mit nur wenigen Ecken und Kanten und die Präsentation (Lektorat, Layout, Illustrationen) ist völlig solide. Ich kenne eine ganze Reihe von Solo-Spielbüchern bekannter Verlage, die bei weitem nicht so gut gelungen sind. Und daher bin ich schwer beeindruckt von Barbara & Tobias Riedel (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) und freue mich schon sehr auf den nächsten Band.