Wer unsere Cthulhu-Spezialfolge (Link) gehört hat (oder wer hier immer mal zwischen den Zeilen liest ;-)) weiß bereits, dass ich zwar Mythos-Abenteuern prinzipiell offen gegenüberstehe, dass mich jedoch die häufige Ausweglosigkeit der Situation (also dass Tod oder Wahnsinn das „vorgegebene“ Ende sind) eher abschreckt. Zumindest ist das so bei der „einheimischen“ Spielweise, denn drüben über dem Atlantik kann man selbst die Großen Alten mit ein paar Maschinengewehrsalven erledigen :-P Okay, so einfach ist es nicht, aber im Standalone-Abenteuerband „Fate of Cthulhu“ hat man dank Zeitreisen doch durchaus die Möglichkeit, dass man die Mythos-Wesen in ihre Schranken weist... In „Fate of Cthulhu“ geht insgesamt fünfmal die Welt unter: Für den großen Cthulhu stehen die Sterne richtig, Dragons Rückkehr führt zu einer Massenmutation, Shub-Niggurath macht den Harz und damit meine Heimat unsicher, Nyarlathotep will als dunkler Pharao die Welt unterjochen und der König in Gelb nutzt eine Pandemie zur Machtergreifung. Alles nicht so schön, denn hinterher sind alle tot oder wahnsinnig – Klischee erfüllt ;-) Doch es besteht Hoffnung: Wie damals der Terminator (sogar ebenfalls völlig nackig) können wagemutige InvestigatorInnen aus dem Jahr 2050 zurück in die Gegenwart teleportieren, damit sie die verschiedenen Zeitlinien abändern. Denn tatsächlich erscheinen die Großen Alten nicht einfach so aus heiterem Himmel, sondern eine Vielzahl von Schlüsselmomenten (etwa kultistische Verschwörungen oder Forschungen, die etwas über das Ziel hinaus geschossen sind...) hat ihnen den Weg bereitet. Und so ist es die Aufgabe der Zeitreisenden, eben diese Schlüsselmomente umzuändern und so eine neue Zeitlinie zu erschaffen. Dabei ist, ein wenig Ausweglosigkeit und Verzweiflung gehören ja doch dazu, auch die „neue“ Zukunft oft kein Utopia, sondern einfach nur das kleinere Übel: Beispielsweise könnte verhindert werden, dass ein Wundermedikament mit der DNA der Tiefen Wesen in Umlauf kommt (was bei Dragons Ankunft zu einer Massenmutation führt), dafür stirbt dann aber die halbe Weltbevölkerung an einer nicht behandelten MRSA-Infektion... Da „Fate of Cthulhu“ ein Standalone-Abenteuerband ist, startet das 264 Seiten starke Hardcover erst einmal mit einer wirklich guten Erklärung aller relevanten Regeln auf rund 50 Seiten. Im Kern handelt es sich um „Fate Core“-Regeln: Zuerst beschreibt man, was man tun will und welche Fertigkeit und Aktion dazu passen. Dann werden 4W6 mit +/-–Symbolen geworfen, deren Wurfergebnis man anschließend zum Fertigkeitswert addiert und dessen Ergebnis man dann mit Stunts & Aspekten modifiziert. Dabei will das Regelsystem explizit, dass nicht einfach nur „Ja/Nein“-Ergebnisse gewürfelt werden. Stattdessen soll damit die Geschichte vorangetrieben und mitunter dramatisiert werden, denn beispielsweise könnte ein Fehlschlag auch ein Erfolg sein, der jedoch einen großen Haken hat. Dies sorgt, ebenso wie das „Reizen“ von Aspekten (siehe dazu das sehr gute "Fate Core"-Onlinehandbuch (Link)), für ein Voranschreiten der Geschichte. Und das ist auch notwendig, denn die fünf vorgegebenen Szenarien sind zwar schon eine gute Grundlage, für die Ausgestaltung der einzelnen Szenen braucht es dann aber doch kreative und spielfreudige Spiel(leit)erInnen. Diese Szenarien starten jeweils mit einer Rekapitulation, wer genau eigentlich wie die Welt unterjocht und/oder vernichtet hat. Hiernach folgt eine nur für die Spielleitung gedachte Beschreibung der jeweiligen fünf Schlüsselmomente der Zeitlinie, inklusive möglicher NSCs, der Taktiken der Großen Alten und der sogenannten Katalysatoren, welche die Schwierigkeit des Szenarios darstellen und final Einfluss auf die Veränderung der Zeitlinie haben. Dabei ist die Veränderung der Schlüsselmomente, welche dann die gesamte Zeitlinie verändern, zweifelsohne einer der spannendsten Aspekte von „Fate of Cthulhu“. Gleichzeitig erfordert dies jedoch, dass die Spielleitung sehr erfahren ist und weiß, wie sie angemessen auf veränderte Situationen reagieren muss beziehungsweise wie die Auswirkungen der Veränderungen zu interpretieren sind. Immerhin, auf diese Problematik wird in den durchaus interessant zu lesenden Kapiteln für die Spielleitung eingegangen – Trotzdem scheint der Zeitlinienaspekt jedoch, was ich so in verschiedenen Rollenspiel-Foren gelesen habe, eher eine Übungssache zu sein, in die man sich als Spielleitung erst hineinfinden muss. Quasi „learning by doing“, aber das trifft ja generell auf das Spielen mit „Fate Core“-Regeln zu ;-) Insgesamt macht „Fate of Cthulhu“ in seiner vom „Uhrwerk Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) mit 34,95 € bepreisten deutschen Übersetzung einen guten Eindruck. Die Texte lesen sich sehr flüssig, das Layout ist aufgeräumt und die Druckqualität geht völlig in Ordnung. Lediglich manche Illustrationen haben mir so überhaupt nicht gefallen, aber das ist natürlich Geschmackssache... Keine Geschmackssache ist dagegen, dass sich hier explizit gegen den Rassismus von H.P. Lovecraft positioniert wird, das finde ich richtig und wichtig. Fazit: Für meinen persönlichen Spielstil ist „Fate of Cthulhu“ (Link) vermutlich das idealste Cthulhu-Rollenspielprodukt, das dieses Jahr auf den Markt kam, denn endlich ist man den Großen Alten mal nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann sich effektiv gegen diese wehren :-D Unter der Voraussetzung, dass man über eine erfahrene Spielleitung verfügt und generell Freude an der „Fate Core“-Erzählspielmechanik hat, kann ich daher eine Empfehlung abgeben!