Erst gestern habe ich „Der Buddha von Berlin“ (Link) besprochen, in dem es um den Kriminalpionier Ernst Gennat ging. Und, zumindest ganz am Rande, geht um ihn auch in der heutigen Rezension: Denn im Fall „Der Vampir von Düsseldorf“, ebenfalls bei „Kult Comics“ erschienen, hat er damals ziemlich erfolglos ermittelt. Und das ist nicht der einzige traurige Aspekt dieses Comics... Peter Kürten war ein unscheinbarer Mann. Stets gepflegt und galant, wickelte er die Damen um den kleinen Finger, obschon er zugleich ein guter Ehemann war – Zumindest nach Außen hin, denn in Wirklichkeit war er einer brutalsten und auch berühmtesten Serienmörder der 20er Jahre. Zur sexuellen Stimulation ermordete er reihenweise vor allem Frauen, aber auch Männer und sogar Kinder, bevor er nach viel zu langer Zeit gefasst und zum Tode verurteilt wurde. Zudem trank er mitunter das Blut seiner Opfer, sodass die Presse ihn (allerdings erst, nachdem er ein Schwanenküken ausgesaugte) reißerisch als Vampir von Düsseldorf bezeichnete. Aber wer war dieser Mann? Und was hat ihn zu diesen Grausamkeiten getrieben? Das erzählt Kürten in diesem Comic selbst, denn Autor Michael Mikolajczak zitiert aus den echten Vernehmungsprotokollen und gibt dem Täter damit die Gelegenheit, zu seinen Taten Stellung zu beziehen. Und das ist, sind wir mal ganz offen, mindestens höchst problematisch. Denn dadurch wird natürlich die Täterperspektive reproduziert, ohne sie irgendwie einzuordnen. So verschiebt er etwa die Verantwortung (nicht wenigen Opfern gibt Kürten eine Mitschuld, dass er sie getötet und mitunter vergewaltigt hat) und entschuldigt sein Handeln – Mitunter wird der Eindruck erweckt, als habe Kürten für seine Morde nicht nur ein sexuelles/sadistisches Motiv, sondern er begreife es auch als politischen Aktivismus, weil ihm hier und da Unrecht widerfahren ist. Nun will ich nicht behaupten, dass sich die Geschichte dadurch mit Kürten gemein macht. Und natürlich wird niemand durch die Lektüre zu einem Nachahmungstäter; aber man kann bei diesem Comic sicherlich trefflich darüber diskutieren, wo denn die Grenze zwischen einer faktenbasierten Darstellung und der Zelebrierung eines Serienmörders liegen. Dabei ist die gewählte Darstellungsform der schwarz-weiß-grauen Zeichnungen gar nicht mal effekthascherisch, wohl aber schockierend. Und „schockierend“ ist hier vielleicht auch das ideale Stichwort, besonders dann, wenn man sich in das Thema noch ein wenig mehr einliest – Ein ergänzendes Essay oder was auch immer, jedenfalls mehr als nur ein paar grobe Halbsätze, hätten hier sicherlich Wunder gewirkt: Denn ja, natürlich ist schockierend, mit welcher Frequenz und Brutalität sich Kürten durch Düsseldorf metzelt. Aber mindestens genauso schockierend ist, wie seine Frau (ebenfalls eine Mörderin) ihn aus falsch verstandener Liebe und Nicht-Wahrhaben-Wollen deckt und sie sogar teils aktiv daran mitwirkt, dass Beweise vernichtet werden und überlebende Opfer keine Anzeige erstatten. Hier hätte der Autor tatsächlich etwas tiefer bohren können, vielleicht sogar müssen: Die Thematisierung, warum beispielsweise manche überlebende Frauen auf Anzeigen verzichteten, etwa weil Gewalt gegen Frauen normalisiert war und weil man sich mit dem Mann ja nicht hätte alleine treffen dürfen, hätte dem Comic zweifelsohne eine viel größere Relevanz gegeben. So ist es am Ende halt leider nur eine Aneinanderreihung von brutalen Morden aus Sicht des Täters. Und das ist ärgerlich. Werden sich trotzdem genug Fans finden, die dem Verlag „Kult Comics“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für das 128 Seiten starke Hardcover 22 € zahlen? Zweifelsohne, der Markt ist da, es sind damals ja auch über dreiundzwanzigtausend Leute in die „Der Goldene Handschuh“-Verfilmung gegangen. Aber für mich persönlich ist die zwar hervorragend gezeichnete, aber letztlich einordnungslose Reproduktion der Sichtweise des Täters absolut nichts, gerade weil man am Ende auch nicht viel klüger ist, warum er das denn gemacht hat... Nee, echt nicht, dafür gibt es keine Empfehlung. Fazit: „Der Vampir von Düsseldorf“ (Link) gibt Peter Kürten die Bühne, die er immer wollte, und ist damit eine einzige große verpasste Chance.
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