Wie politisch darf eigentlich Fußball sein? Diese Frage stellt sich ja immer wieder, ganz aktuell etwa bei der Diskussion um Pride-Symbole bei der heute endenden Fußball-EM. Passend dazu erschien kürzlich im österreichischen Autogestionsverlag „bahoe books“ die französische Graphic Novel „Ein Match für Algerien“, welche die unglaubliche, aber wahre Geschichte einer real existierenden Nationalmannschaft eines nicht existierenden Staates nacherzählt. 1958 versucht sich die algerische Kolonie vom französischen Mutterland zu lösen. Denn obwohl sie nominell zu Frankreich gehören, werden die AlgerierInnen doch stark benachteiligt – Was französische Fußballvereine aber nicht davon abhält, die besten algerischen Fußballspieler auf den Platz zu stellen. Die rebellierende "Front de Libération Nationale" (FLN) versucht die weltweite Aufmerksamkeit für ihre Sache daher mit einem Trick zu gewinnen: Eine „Nationalmannschaft“ aus den besten Algeriern soll weltweit für den noch nicht existenten Staat werben. Und so findet sich eine kleine Truppe von Profis zusammen, die für den gemeinsamen Traum ihre bisherigen Karriere opfern – Und auch Lebensqualität! Denn nicht nur, dass sie sich in Frankreich nicht mehr blicken lassen können, auch so manches Familienglück zerbricht an den neuen Herausforderungen. Zudem fehlt der FLN das Budget eines großen Sportverbandes, sodass sie ihre internationalen Reisen zumeist in einem viel zu kleinen, klapprigen Bus erfolgen. Und dabei sind die Spiele aus sportlicher Sicht eher symbolischer Natur, denn die meisten muslimischen Nachbarstaaten sowie Sportvereine aus dem Ostblock kommen kaum gegen die Ex-Profis an. „Richtige“ Nationalspiele gibt es dagegen selten, denn viele Länder wollen es sich nicht mit der FIFA verscherzen... Das Kreativteam Rey, Galic & Kris stellt Fußball in dieser Graphic Novel als überaus politische Angelegenheit dar und bezieht dabei eindeutig Position. Die FLN-Nationalspieler sind die unangefochtenen Helden der Geschichte, die nur in sehr wenigen Fällen an ihrer gemeinsamen Mission zweifeln. Dabei werden ihre wichtigsten Erlebnisse episodisch erzählt, wobei die Flucht des Teams aus Frankreich mit rund einem Drittel der 136 Seiten langen Geschichte besonders viel Raum einnimmt. Dieser Abschnitt ist dann auch der spannendste der gesamten Graphic Novel, da hier noch eine echte „Gefahr“ für die Spieler spürbar ist. Danach kommen sie zwar ab und an in unangenehme Situationen (z.B. unfreundliche GastgeberInnen, private Probleme & spielerische Formtiefs), aber das wird jeweils alles innerhalb weniger Augenblicke abgehandelt. Echte „Spannung“ kommt da beim Lesen nicht auf, nichtsdestotrotz bleibt man aber aus historisch-politischem Interesse am Schicksal des Teams bei der Stange – Denn die Geschichte der Nationalmannschaft ohne Nation ist ja doch etwas, von dem „durchschnittliche“ Fußball-Fans vermutlich noch nichts gehört haben. Diese werden sich zudem an den zwar wenigen, dafür aber schönen Spielszenen erfreuen: Wenn die Algerier, besonders der im erzählerischen Fokus stehende Rachid Mekhloufi, mit einem besonders geschickten Spielzug ein Tor schießen, dann wird das taktisch leicht verständlich abgebildet. Interessant ist dabei auch, dass oft spielerisch sehr harte, foulreiche Fußballszenen dargestellt werden, die so als Metapher auf den algerischen Freiheitskampf gedeutet werden können. Insgesamt macht die Graphic Novel grafisch einen guten Eindruck, genau wie die Druckqualität von „bahoe books“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten), sodass geschichtsinteressierte Fußball-Fans hier völlig bedenkenlos die 24 € für das Hardcover zahlen können. Gerade auch, weil der Verlag die Geschichte noch mit einer ganzen Menge Bonusmaterial wie einer historischen Einordnung und sogar einem Interview mit Rachid Mekhloufi ergänzt hat. Fazit: „Ein Match für Algerien“ (Link) zeigt eindrücklich, dass Sport eben doch immer politisch ist. Empfehlenswert nicht nur für Fußball-Fans!
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