Was, schon wieder ein neues Superhelden-Universum? Zugegeben, da ist mir doch ein leichtes Gähnen entfleucht. Doch als ich sah, dass der Autor dieses Auftakt-Sammelbandes J. Michael Straczynski heißt, der mit „Babylon 5“ die ikonische TV-Serie meiner Kindheit erschuf, musste ich dann doch mal reinlesen. Ob sich das gelohnt hat? Es ist natürlich in Zeiten von Corona schwierig, einen Comic mit Pandemie-Thema zu besprechen, ohne auf die aktuell noch immer grassierende Pandemie zu referenzieren. Und es ist selbst mit meinem beruflichen Hintergrund (Link) noch schwieriger, nicht den Eindruck von Zynismus zu hinterlassen, wenn man „Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können!“ schreibt. Aber in „The Resistance #1“, dem sechs Kapitel bzw. US-Hefte umfassenden Startschuss eines neuen Superhelden-Universums (welches, so Straczynski in einem Nachwort, scherzhaft „Axelverse“ genannt wird), kommt es tatsächlich noch viel schlimmer: Der Retrovirus XV1N1 rafft in Rekordzeit rund 400 Millionen Menschen dahin, denn eine Infektion damit verläuft in 95 % tödlich (um sich mal die Relationen vor Augen zu führen: Während ich diese Rezension schreibe, listet die John Hopkins Universität (Link) nach so vielen Corona-Monaten „nur“ knapp 170 Millionen registrierte Infektionen und eine Mortalität von etwas über 2% auf). Aber so plötzlich, wie die globale Pandemie begann, endet sie auch wieder. Und nicht nur das: Viele der 5 %, welche die Infektion überlebten, beginnen Superkräfte zu entwickeln! Was natürlich eine Bedrohung für die bestehende Ordnung darstellt, weswegen beispielsweise der neu gewählte US-Präsident Stephen Mock sein Land mit harter Hand regiert. Menschen mit Superkräften werden in das bestehende System als eine Art Maskotchen eingegliedert, damit sie vor lauter PR-Terminen gar nicht erst auf die Idee kommen aufzubegehren. Wer sich dem verweigert wird sozial geächtet und landet alsbald im Knast – Die USA (und nicht nur die...) auf dem Weg in den Faschismus. Doch einige SuperheldInnen leisten im Verborgenen heimlich Widerstand... Gerade mal 164 Seiten umfasst dieser Auftaktband, doch J. Michael Straczynski schafft es problemlos, die LeserInnen in dieses neue Comic-Universum hineinzuziehen. Gerade die Beschreibung der Pandemie (von Corona konnte er beim Schreiben damals noch nichts ahnen, aber die Parallelen zur Realität, z.B. Verschwörungsdeppen, sind teils erschreckend) baut so viel Spannung auf, die sich durch die Entdeckung von SuperheldInnen eben nicht entlädt (so wie es bei „klassischer“ Heldenreise-MARVEL-Kost der Fall wäre), sondern sogar noch zunimmt. Denn aus der Asche der Menschheit entsteigt kein Phönix, sondern die Dystopie setzt sich einfach weiter fort... Sicherlich gibt es Hoffnungsmomente, etwa wenn der Widerstand eine Revolution in Weißrussland zum Erfolg führt, aber letztlich ist diese von einer Vielzahl von SuperheldInnen (genau weiß man es noch nicht, aber eine niedrige zweistellige Millionenzahl scheint realistisch) bevölkerte Geschichte doch eher deprimierend glaubwürdig und damit düster. Die „ab 16“-Leseempfehlung, die „Panini Comics“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) draufgedruckt hat, ist durchaus angemessen. Und angemessen sind auch die Zeichnungen von Mike Deodato Jr., der mit seinem ganz eigenen Stil ebenso zu einer intensiven Atmosphäre beiträgt wie die gedeckte, düstere Kolorierung. Fazit: Um es ganz kurz zu machen: Gern mehr davon! „The Resistance #1 Eine neue Ordnung“ (Link) macht richtig Lust auf dieses neue, sehr erwachsen wirkende Superhelden-Universum :-)
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