Es gibt ja so einige WildWest-Comics und nicht selten geht es dort um knallharte Cowboys. Oder um gesetzestreue Sheriffs und Marshalls. Oder um unerschrockene Siedler. Also jedenfalls um Männer. Eine Frau als Protagonistin, gerade wenn sie auffallend zart inszeniert wird, gibt es da schon seltener. Die fünfteilige Comic-Reihe „Die Viper“ stellt nun aber eine solche Frau in den Fokus, die es trotz ihrer Unscheinbarkeit faustdick hinter den Ohren hat! 1885: Der kleine Emily hat nicht unbedingt das große Los gezogen, denn als Tochter einer Prostituieren muss sie im Freudenhaus aufwachsen – Umringt von perversen Freiern, die nur darauf warten, dass auch sie ins Familiengeschäft einsteigt... Aber 15 Jahre später scheint sie doch einmal Glück zu haben: Die Fernbeziehung mit einem Junggesellen in einem kleinen WildWest-Kaff soll endlich in einer Ehe münden. Doch anscheinend war der Junggeselle dann doch ein wenig zu alt, denn als sie dort ankommt, liegt ihr Verlobter bereits auf dem Friedhof... Und wie soll eine mittellose Frau in so einer verschlafenen Bergarbeiten nun ihren Lebensunterhalt verdienen? Die Vergangenheit holt Emily ein und sie muss sich als Prostituierte verdingen – Eine sehr traurige Geschichte also, oder? Nein, denn offenbar war das alles Emilys Plan! Denn von ihrem „Arbeitszimmer“ aus hat sie die beste Schussposition für ein Attentat und mit der Kleidung ihres überwältigten Freiers gelingt ihr problemlos die Flucht... Und um diese Flucht geht es dann auch in dem Auftaktband der insgesamt fünfteiligen WildWest-Reihe. Gejagt von zwei knallharten Agenten der Pinkerton-Detektei und einer ganzen Menge US-Soldaten gerät sie immer wieder in brenzlige Situationen (z.B. wird sie von ein Indianern gefangengenommen), welche sie stets durch gute Verkleidungen und das gelegentliche Entführen von Geiseln übersteht... Emily ist also keine Sympathieträgerin, sondern viel mehr eine gemeingefährliche Kriminelle. Aber warum? Klar, ihr Start ins Leben war nicht ideal, aber das ist dann ja quasi nochmal ein Abstieg... Einige wenige Rückblenden und ein Tagebuch-Bonusteil lassen ihre Motive immerhin ein wenig erahnen, mehr als ungefähre Mutmaßungen sind das bisher aber nicht. Allerdings haben wir ja auch noch vier Bände, in denen uns die Figur Emily hoffentlich genauer vorgestellt wird. Nun ist eine so arg platte und unsympathische Protagonistin eigentlich ein deutlicher Kritikpunkt, aber tatsächlich ist man nach dem großen Story-Twist (ungefähr nach dem ersten Viertel der 72 Seiten) dann doch arg fasziniert von dieser eigentlich so unscheinbaren, sehr zart wirkenden Frau. Und da die anschließende Flucht mit all ihren kurzen, aber zusammenhängenden Episoden so spannend und vorwärtsdrängend erzählt wird, fällt einem dieser Kritikpunkt während des Lesens gar nicht auf :-) Aber klar, im zum Zeitpunkt dieser Rezension bereits erschienenen Folgeband „Flutwelle“ muss der Autor Laurent Astier jetzt ordentlich Informationen nachliefern... Dafür liefert er zeichnerisch zumeist ganz ordentlich ab, wobei mir jedoch manche Gesichter und vor allem aber die ebenfalls von ihm verantwortete Kolorierung oft überhaupt nicht gefallen haben. Aber das ist natürlich wieder Geschmackssache :-P Keine zwei Meinungen gibt es dafür über die Druckqualität des „Splitter Verlags“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), denn die ist wie immer toll und dem Preis von glatten 17 € angemessen. Fazit: „Die Viper #1 Feuerregen“ (Link) ist ein Auftaktband, der wirklich Lust auf die Fortsetzung macht. In dieser muss der Autor, Zeichner & Kolorist Laurent Astier dann aber auch viele Informationen nachliefern, sonst kippt meine vorsichtige Begeisterung rasch ins Gegenteil.
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