Das Erzählrollenspiel „Fate“, sowohl in seinen Regelausprägungen „Core“ als auch „Turbo“, hat (zumindest in meiner Wahrnehmung der deutschsprachigen Rollenspielszene) seinen absoluten Höhepunkt bereits überschritten. Nichtsdestotrotz wurde mein persönliches „Fate“-Feuer im letzten Jahr durch die Veröffentlichung des SciFi-Bikergang-Settings „Aces in Space“ (Link) wieder angefacht – Und da ich ja ohnehin ein großes Herz für Weltraumkämpfe und -Abenteuer aller Art habe, kam mir die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe des „Space Toolkit“ natürlich gerade recht :-)
Ganze 192 Seiten dick ist dieser Hardcover-Band, der im altbekannten schwarz-weiß-grau-Design der allermeisten deutschen „Fate“-Produkte daherkommt. Der Titel „Science-Fiction-Handbuch“ trifft den Kern dann auch ziemlich genau, denn hier handelt es sich weniger um ein Quellen- oder Szenariobuch (auch wenn fünf Kurzszenarien enthalten sind), sondern vielmehr um eine Handreichung an die Spielleitung: Klar, es werden auch Regeln erklärt bzw. hinzugefügt, aber prinzipiell wird viel mehr ergründet, wie man ein stimmiges SciFi-Szenario in all seinen verschiedenen Aspekten (von der richtigen Benennung der Charakterfähigkeiten über die Art & Kultur der Aliens bis hin zum korrekten Raumkampf) entwickelt. Dabei schreckt das Handbuch auch vor, für so ein Erzählspiel, überraschend technischen Details wie der „Delta v“-Rechnung und dem spezifischen Impuls nicht zurück. Aber keine Sorge, man muss hier kein Physikstudium absolviert haben, das alles wird einfach erklärt und dient im Prinzip nur dazu, dass man eine ungefähre Vorstellung bekommt, dass eine Beschleunigung von 0 auf Lichtgeschwindigkeit innerhalb von 2 Sekunden vielleicht doch gar nicht mal einfach ist ;-)
1. Das erste Kapitel ist eine kurze Einführung, in der u.a. auch das „Plausibilometer“ vorgestellt wird, welches den Realismus bzw. die Authentizität eines Settings grob wiedergibt. 2. In Ein Fate-Weltraumspiel erschaffen geht es erst einmal um die absoluten Grundlagen-Gedanken, die man sich z.B. in einem Brainstorming machen soll, beispielsweise welches Untergenre man bespielen und was man dann wo, wie und wann machen möchte. 3. Die Charaktererschaffung behandelt, na klar, die Charaktererschaffung: Hier werden einige neue Aspekte & Stunts vorgestellt, die besser ins SciFi-Setting passen, sowie einige alternative Benennungen (z.B. die Umbenennung von Fertigkeiten wie „Handwerk“ in „Technowissenschaften“) 4. In Raumschiffe und Raumreisen wird es dann, wie im vorherigen Absatz erwähnt, technischer. Von „realistischen“ Raumschiffreisen wie etwa der Nutzung von langsamen chemischen Raketenantrieben und Slingshot-Manövern bis hin zu Utopien wie der Reise durch ein Wurmloch oder mit Warpgeschwindigkeit werden hier verschiedenste Möglichkeiten mit ein wenig Physikhintergrund erklärt. Aber auch das Leben im Weltraum, etwa die Auswirkungen des Schwerkraftmangels, der Weltraumstrahlung und der Beschleunigung, werden thematisiert. 5. Richtig spannend für mich wurde es dann beim Kapitel über Raumkampf! Von erzählerischem Kampf um Aspekt-Zonen bis hin zur Darstellung von Vektorbewegungen und Feuerreichweiten verschiedener Waffensysteme ist hier alles dabei. Schön ist dabei auch, dass hier verschiedenste Berufe vorgestellt werden, die während einem Raumkampf alle etwas zu tun haben. 6. Aber gegen wen soll man denn in den Weltraumkrieg ziehen? Dafür ist das nächste Kapitel Aliens und fremde Welten da – Wobei zuerst einmal die Frage beantwortet werden muss, ob es überhaupt Aliens gibt und wenn ja, in welchem Abstufungen. Und wo wohnen die überhaupt? Für die Gestaltung eines eigenen SciFi-Settings ist dieses Kapitel vermutlich das mit Abstand wichtigste: Mit ein wenig Kreativität und ein paar Würfelwürfen kann man hier eine komplette Spielwelt mit verschiedenen Alien-Völkern und diversen politischen Fraktionen erschaffen. 7. Damit sind 117 der 192 Seiten des Handbuchs vorbei. Nun folgen fünf verschiedene Setting-Beispiele, beginnend mit der transhumanistischen Space-Opera The Gods know future Things, in welcher die SpielerInnen die KI riesiger Generationenschiffe verkörpern. 8. Wesentlich griffiger war für mich The High Frontiersman: Klassischer Kalter Krieg, in dem die Sowjets zuerst auf dem Mond waren und dann da auch nicht mehr weggeflogen sind. 9. Laut Handbuch an die großartige SciFi-Serie „The Expanse“ angelehnt ist das Setting Mass Drivers – Die Space Trucker, aber ehrlicherweise erinnert es mich viel mehr an den letztjährigen „Fate“-Rollenspielhit „Aces in Space“ ;-) Geiles Setting! 10. Nach so viel düster-realistischem Kram kommt jetzt wieder eine positivere Grundstimmung: Millennials ist quasi „Star Trek“, und zwar die optimistische „Wir fliegen umher, lernen nette Aliens kennen und verkloppen Bösewichte mit freiem Oberkörper“-Version der Originalserie :-) 11. Zuletzt wird es richtig groß: Pax Galactica ist ein riesiger Sandkasten, in dem die SpielerInnen sich als HändlerInnen ihren Lebensunterhalt verdienen. Wie alle anderen Settings auch wird dieses hier zwar eher knapp beschrieben, mit etwas Kreativität und dem Wissen aus diesem Handbuch kann man als Spielleitung aber rasch eine ganze Kampagne zaubern. 12. Im Anhang: Inspirationen, Informationen und Quellen finden sich eben jene.Ich muss es unumwunden zugeben: Als großer Fan der Science-Fiction hat mich das „Fate Science-Fiction-Handbuch“ schwer begeistert. Sicherlich ist für den durchschnittlichen SciFi-Nerd jetzt nicht alles völlig neu, aber hier wird das Wissen leicht verständlich und schnell greifbar aufbereitet. Dabei bezieht sich das Buch natürlich immer auf das „Fate Core“-Regelsystem, aber viele der Inhalte sind so universell, dass man sie z.B. auch gut nutzen kann, wenn man als AutorIn nach einem durchdachten SciFi-Setting für den ersten eigenen Roman sucht. Insgesamt also eine sehr gute Handreichung an SpielleiterInnen und, mit Abstrichen, eben auch sonstige Kreative. Für das qualitativ gut gedruckte und auch gut lektorierte Hardcover mit Lesebändchen möchte der „Uhrwerk Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) akzeptable 29,95 €. Fazit: Ich denke man konnte es meinen Text schon sehr anmerken, dass ich als SciFi-Fan vom „Fate Science-Fiction-Handbuch“ (Link) sehr angetan bin. Für SciFi-WeltenerschafferInnen, selbst wenn sie nicht „Fate Core“ spielen, empfehlenswert!