Der kleine Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ hat ja zwei wirklich gute WildWest-Comics von sehr begabten Autoren im Programm (nämlich „Die Galgenvögel“ (Link), zumindest die ersten beiden Bände, von Fred Duval und „Angela“ (Link) von Daniel Pacqueur). Und das ist auch der Grund, warum ich bei der Western-Trilogie „Moses Rose“ anfangs sehr skeptisch war: Denn diese wurde geschrieben vom Autorenduo Ordas & Cothias, welche u.a. das mäßige „Im Auge des Dobermanns“ (Link) zu verantworten hatten. Aber hey, ich gebe ja immer zweite Chancen – Ob die beiden Autoren sie genutzt haben?
1. Der französische Soldat Louis Rose, von seinen ehemaligen Kameraden aufgrund seines Alters und seines Glaubens Moses genannt, gilt als Fahnenflüchtiger. Denn angeblich hat er bei der Schlacht um das Fort Alamo, bei der eine kleine US-Garnision gegen ein vielfach größeres mexikanisches Heer zwei Wochen Widerstand leistete, einfach seine Kameraden im Stich gelassen, die dann allesamt während oder nach der Schlacht den Tod fanden – ein für die USA noch immer ikonisches Ereignis, besungen in patriotisch-verklärenden Liedern wie Die Ballade von Alamo (Link), bei dem immer mal gern übersehen wird, dass sich hier eigentlich die Mexikaner gegen die amerikanischen Landräuber verteidigten. Doch so war es gar nicht! Und immerhin zwei Menschen können das bezeugen. Doch dem ehemaligen Sklaven Betti glaubt man aus rassistischen Gründen kein Wort und die Witwe eines Kriegskameraden hetzt Moses lieber einen Anwalt nebst schießwütiger Begleitung auf den Hals – Also kommt es, wie es sich für einen ordentlichen WildWest-Comic gehört, erst einmal zu einer zünftigen Schießerei ;-) Keine gute Ausgangslage zum Beweis der eigenen Unschuld, also nimmt Moses sehr gern die Gelegenheit wahr, gemeinsam mit dem lokalen Sheriff (der bei Alamo eine halbe Goldmine geerbt hat) und der lokalen Puffmutter Madame Cloud nach Alamo zu reisen.
2. So eine Reise durch den Wilden Westen ist alles andere als ungefährlich, besonders wenn einem die sizilianische Mafia auf den Fersen ist. Mit der offiziellen Erlaubnis zwielichtiger Senatoren hat sie absolut freie Hand, um Moses (denn nur er kennt die Wahrheit der Schlacht) und Madame Cloud (welche mit ihrem Reichtum, inklusive dem Besitz von zwei Zeitungen, die öffentliche Meinung bestimmen kann) auszuschalten. Dafür brechen sie einen blutigen Krieg mit den Komantschen vom Zaun, der sozusagen in einer zweiten Schlacht um Alamo endet... Ob Moses Das Geheimnis der Ruinen (Link) noch lüften wird?
3. Im Abschlussband El Degüello (Link) scheint für Moses und seine kleine Truppe alles verloren: Nach seiner Gefangennahme droht ihm ein fingierter Prozess, bei dem das Urteil schon feststeht. Zwar können seine KameradInnen ihn in letzter Sekunde noch befreien, doch ihr Versteck in den Ruinen des Fort Alamo wird von der Mafia rasch ausfindig gemacht und belagert. Ein letztes Mal muss Moses also der Belagerung durch eine Übermacht trotzen und beweisen, dass er kein Deserteur ist...
„Moses Rose“ ist ein bunter WildWest-Mix, der all die Zutaten enthält, die man von so einem Genre-Werk erwartet: Vom knorrigen alten Western-Held mit dem schnellen Abzugsfinger über rechtschaffene & korrupte Gesetzeshüter über verführerische Freudenmädchen über indigene Ureinwohnerinnen in Kriegsbemalung bis hin zur klischeehaft keuschen Dorflehrerin wird hier quasi eine Genre-Checkliste abgearbeitet. Und das ganze vor einer mitunter sehr traumhaft gezeichneten Western-Kulisse mit einer spannenden Handlung (die irgendwo zwischen Reise-Abenteuer, Schatzsuche und Politik-Rachedrama verortet ist) und gelegentlichen Anflügen von Mythos-Dekonstruierung. Auf den ersten Blick also eine gelungene Trilogie! Jedoch, letztlich gibt es ein paar geringfügige Abzüge in der B-Note, die das Autorenduo Ordas & Cothias von meinen bisherigen Vorurteilen nicht ganz rehabilitieren: So machen sie es sich bei der Figurencharakterisierung manchmal zu einfach (Ich kann den Dialog der Autoren quasi hören: „Hey, die stille Killermaschine Camélia wurde mit acht Jahren vergewaltigt, das reicht doch als Hintergrundgeschichte?“ „Genial, und wenn sie letztlich mal einem nicht übergriffigen Mann begegnet, ist ihr kompletter Handlungsbogen auserzählt...“ „Geil Bro, der Literaturnobelpreis wartet auf uns!“) und nutzen selbst offensichtlichste Reibungspunkte kaum aus – Klar, der Comic will kein Charakterdrama sein (höchstens für den kriegstraumatisierten Moses, aber nicht für den Rest), aber bei so unterschiedlichen Biografien und Ansichten muss es ja nicht immer nur Friede, Freude & Eierkuchen geben :-( Zudem ist es immer ein schlechtes Zeichen, wenn der Bösewicht am Ende seinen verschwörerischen Plan erst umständlich erklären muss... Auch die Zeichnungen von Christelle Galland haben, so atmosphärisch sie auch sind, mitunter Schwächen (gerade manche Nahaufnahmen, aber sie wird im Verlauf der Trilogie merklich besser). Letztlich wird „Moses Rose“ also sicher nicht als absoluter „Must Read“-Klassiker in Erinnerung bleiben – Wer jedoch ein Genre-Fan ist, kann problemlos die jeweils 15 € zahlen für die jeweils 48 Seiten starken Hardcover-Bände, welche mir dankenswerterweise als Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt wurden. Fazit: „Moses Rose“ (Link) bietet eine spannende Abenteuerreise mit gelegentlichen Genre-Dekonstruktionen und atmosphärischen Zeichnungen. Leider hat es sich das Autorenduo Ordas & Cothias jedoch manchmal etwas einfach gemacht, sodass diese WildWest-Trilogie zwar kein absoluter Klassiker ist, wohl aber ein sehr interessanter Genre-Beitrag :-)
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