In meiner heutigen Rezension geht es um eine echte Legende – Keine literarische Figur wurde so oft in Filmen dargestellt und auch in anderen Medien der Populärkultur, wie eben jetzt in einer Grafic Novel, wurde sie schon vermutlich hundertfach als Prota- oder viel häufiger Antagonist genutzt. Die Rede ist von Graf Dracula, dem berühmtesten Vampir der Literaturgeschichte.
Der Londoner Rechtsanwalt Jonathan Harker reist nach Siebenbürgen, um den Verkauf eines britischen Anwesens an Graf Dracula abzuwickeln. Auf seiner Hinfahrt bemerkt er seltsame Vorkommnisse, etwa ein von einer kurzzeitig aufflackernden Gestalt vertriebenes Rudel Wölfe und die Einheimischen, die ihn anflehen, die Burg des Grafen nicht zu betreten. Aber er lässt sich nicht beirren und merkt dann rasch, dass er in einem Gefängnis gelandet ist: Anfangs darf er einfach nicht in der Burg herumschnüffeln, später wird er dann immer wieder in seinem Zimmer eingesperrt. Währenddessen sieht er unglaubliche Dinge, etwa dass der Graf die Burgwände herabklettert und dass verführerische Geisterdamen nach seinem Blut trachten... Einige Zeit später erlebt Harkers Verlobte Mina, die in London zurückgeblieben ist, ähnlich verstörende Vorkommnisse: Ihre Freundin Lucy beginnt zu schlafwandeln, zugleich finden sich zwei blutende Einstichstellen an ihrem Hals. Nach jeder vergangenen Nacht wird sie schwächer, quasi blutleerer, und die Ärzte wissen sich nicht zu helfen. Erst der niederländische Professor van Helsing hat eine Erklärung, doch wer glaubt schon, dass es Vampire wirklich gibt?
Der 1897 veröffentlichte, gruselige Abenteuer-/Reise-/Liebesroman „Dracula“ des irischen Schriftstellers Bram Stocker ist ein echter Klassiker der Weltliteratur, der formal aus einer Folge von Tagebucheintragungen, Briefen und Zeitungsartikel besteht. Das Fehlen eines allwissenden Erzählers verleiht der Geschichte eine quasi dokumentarische Note, welche der Comic-Umsetzung von George Bess sogar entgegen kommt – Beim Lesen hat man quasi das Gefühl, als lese man einen reichhaltig illustrierten Bericht und nicht etwa ein fiktionales Werk. Dabei gelingt Bess mit seinen detaillierten, düsteren schwarz/weiß-Zeichnungen hervorragend, dass die Atmosphäre der Geschichte noch verstärkt wird – Was insoweit bewundernswert ist, da es durchaus andere Comic-Umsetzungen literarischer Werke gibt, die ihre Zeichnungen stark in den Vordergrund rücken (was dann so wirkt, als würde man über ein bedeutendes Gemälde noch ein paar Instagram-Filter drüberjagen ;-)). Nein, das passiert hier keinesfalls, trotzdessen ist die künstlerische Umsetzung von Bess jedoch eine echte Augenweide – So wie generell die Umsetzung vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), der das 208 Seiten starke Werk als großformatiges, vergoldetes Hardcover veröffentlicht hat.
Fazit: „Dracula“ (Link) ist ein absoluter Klassiker, der von Georges Bess ganz hervorragend als Graphic Novel umgesetzt wurde. Sehr empfehlenswert!
PS: Okay, jetzt muss ich nach meiner aufrichtigen Empfehlung doch noch einmal kurz die Stimmung drücken: Ja, ich bin jetzt wieder der nervige Social Justice Warrior, aber muss man in einer so modernen Umsetzung wirklich noch vielfach sinnlos das Z-Wort rausballern?