Alle Dungeon Crawler wollen immer, dass die HeldInnen in die Höhlen und Verliese hinabsteigen, weil ganz unten ja der große Schatz wartet. Alle Dungeon Crawler? Nein, denn das neuste Rollenspiel-Büchlein „Mietling auf Abwegen“ aus der legendären „Kleinen Reihe“ unserer Podcast-Kollegen von „System Matters“ macht es gleich doppelt umgekehrt: Erstens wollen die HeldInnen da wieder raus. Und zweitens sind die Flüchtenden gar keine HeldInnen, sondern einfach nur angemietete Hilfskräfte mit Inselbegabungen :-D
„Mietling auf Abwegen“ ist ein kampfloses Erzählspiel, in welchem die Mietlinge nach dem Ableben ihrer heldenhaften ArbeitgeberInnen einfach nur raus aus dem vier bis acht Räume umfassenden Dungeon wollen. Was sich gar nicht so einfach gestaltet, sind sie doch wirklich nur in der Aufgabe gut, für die sie angeheuert wurden: Bauern, Chronisten, Fackelträger, Fallenpiekser, Fraßköche, Narren und Wanderprediger können wirklich nur genau das, was man von ihrem Berufsbild erwarten kann. Beispielsweise kennen sich Chronisten mit Legenden und alten Schriften aus, während Köche so kompetent mit Zutaten sind, dass sie sogar Gifte herausschmecken können. Was niemand kann: Kämpfen!
Deswegen müssen die SpielerInnen die einzelnen Räume beziehungsweise deren darin enthaltene Gefahren gewaltfrei lösen – Was aber eher bedeutet, dass man nicht offen kämpft. Wenn der Fraßkoch einem Monster etwas Gift ins Essen mischt, ist das ja auch eine Art von Gewalt und zugleich eine adäquate Lösung ;-) Die Gefahren, Herausforderungen oder Aufgaben des Raums (regulär acht Stück, aber das Regelwerk schlägt als Hausregel SpielerInnen-Anzahl x2 vor) müssen jedoch nicht immer nur aus Monstern bestehen, das können auch gefährliche Umgebungen (z.B. eine einsturzgefährdete Hängebrücke) oder knackige Rätsel sein.
Beim Betreten eines neuen Raumes müssen die SpielerInnen diesen benennen und eine enthaltene Herausforderung beschreiben. Aus beiden Informationen bastelt die Spielleitung, hier Dunarch genannt, spontan den weiteren Schauplatz. Außerdem würfelt er heimlich den Gefahrenwert, welcher angibt, wie viele Aktionen die SpielerInnen zum Durchqueren des Raums benötigen. Diese erforschen dann, auf der Suche nach dem Ausgang, den Raum und müssen irgendwann die entdeckte Herausforderung meisten. Hierzu können sie verschiedene Aktionen durchführen, die jeweils eine der beiden Spielwährungen (Fuchtelpunkte & Gold) kosten oder aber zurückbringen. Ihre eigentliche Kernkompetenz ist dabei natürlich billiger und einfacher als eine Aktion, die so gar nicht ihrem Berufsbild entspricht.
Darum werden einige Charaktere öfters mal ihren Ex-ArbeitgeberInnen folgen und ins Gras beißen – Was aber gar nicht schlimm ist, denn alle SpielerInnen dürfen sich in dem Fall einen zweiten Mietling erschaffen (der steht dann halt da irgendwo rum, weil ihn jemand vergessen hat). Und selbst wenn der auch gestorben ist, hat man noch einen dritten Versuch. Dann kommt der erste Mietling zurück, nur mit weniger Gold und einem veränderten Gegenstand. Das Regelwerk erwartet also einen häufigen Figurenwechsel, weswegen die Charaktererstellung auch ziemlich rasch geht: Man wählt eine Klasse, entscheidet sich für einen Ausrüstungsgegenstand (zusätzlich zu den klassenspezifischen Dingen wie etwa einem Huhn beim Bauern) sowie das Aussehen und beantwortet eine der drei Hintergrundfragen. Zack, das war es auch schon, ab in den Dungeon!
„Mietling auf Abwegen“ ist, auch wenn man ganz gelegentlich mal ein bis zwei W6 würfelt (u.a. bei manchen Proben und auf die Höhe von Goldkosten), selbst für ein Erzählspiel sehr erzähllastig. Die teilnehmenden SpielerInnen und vor allem die oft improvisierende Spielleitung müssen daran viel Freude haben, sonst wird das eine recht öde Angelegenheit. Wer sich aber für diese Art des Rollenspiels begeistern kann, wird hier wirklich glücklich! Ich mag nicht einschätzen, wie rasch sich das Spielkonzept abnutzt, aber für einen humorvollen OneShot in wechselnder Rundenbesetzung ist dieses gerade mal 72 Seiten dünne Büchlein (bei dem allein 21 Seiten Bonusmaterial wie Originalzeichnungen & Würfeltabellen sind), welches wundervoll illustriert wurde, wirklich ideal. Darum kann ich hier nur schreiben...
Fazit: Die „Kleine Reihe“ von „System Matters“ wird hier um ein weiteres Erzählspiel-Kleinod erweitert. „Mietling auf Abwegen“ (Link) macht wirklich Spaß, wenn man denn auf Improvisation und sehr, sehr viel Gelaber steht ;-)