Wenn man sich aktuell mal Literatur für Jugendliche und junge Erwachsene anschaut, dann dominieren nach einer Phase unsäglich kitschiger Fantasy-Romanzen (wir wissen alle wovon ich rede ;-)) nun die dystopischen Entwicklungsromane. Und genau zu diesem Genre gehört auch die fünfteilige Comic-Serie „Gung Ho“ aus der Feder der beiden deutschen Künstler Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant: Eingeschlossen von hohen Schutzmauern, die sich eher wie ein Gefängnis anfühlen, versuchen die jugendlichen Protagonisten ihren Platz zu finden – Das sind altbekannte Klischees. Ist es den Künstler trotzdem gelungen, eine spannende Geschichte zu erzählen und diese in ansprechende Bilder zu verpacken? „Schwarze Schafe“ (Link) lautet der Titel des ersten Bandes, welcher mir vom „Cross Cult“-Verlag freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Die schwarzen Schafe, dass sind die beiden Teenager-Brüder Archibald und Zacharias Goodwoody (kurz Archer und Zack). Die beiden Waisen sind bisher eher durch unangepasstes Verhalten aufgefallen, daher werden sie zur Bewährung in die Siedlung 16, Spitzname „Fort Apache“, überstellt. Dies ist ein eigentlich ganz beschaulicher Außenposten mitten in der Gefahrenzone, in welchem die Bewohner täglich ums Überleben kämpfen. Denn draußen vor den hohen Mauern lauert das tödliche Grauen... Um was genau es sich dabei handelt, bleibt lange unklar. Die Autoren machen sich gar einen Spaß daraus und legen eine falsche Fährte, sodass die Auflösung dann umso überraschender gelingt. Und deswegen ist auch dieser Ausschnitt kein Spoiler: Doch der Überlebenskampf rückt im ersten Band ein wenig in den Hintergrund, vielmehr konzentriert sich die Geschichte darauf die handelnden Figuren und auch den Schauplatz mitsamt seiner Regeln einzuführen. Der Fokus liegt dabei natürlich auf Acher und Zack, die als ungleiche Brüder schon gleich in den ersten Tagen unangenehm auffallen. Dabei ist Zack mehr so ein stiller, besonnener Charakter bei dem man sich durchaus fragt warum er als schwarzes Schaf gilt? Vermutlich ist es der negative Einfluss seines Bruders Archer: Der ist eine Art Beachboy-Anarcho, dessen primäres Interesse darin besteht möglichst viele Mädels flachzulegen. Ich finde ihn jetzt nicht wirklich sympathisch, aber Leserinnen würden sicher sofort versuchen wollen ihn zu ändern, weil er ja bestimmt ganz ein Lieber ist ;-) Er ist einer der beiden Hauptcharaktere, deswegen wird es nicht passieren, aber im wahren Leben wäre so ein unangepasster Hallodri das erste Opfer der Apokalypse. Natürlich sind Archer und Zack nicht die einzigen Jugendlichen in der Siedlung 16. Handlungsrelevant sind auch einige junge Mädels, die allesamt wahnsinnig gut aussehen (und teilweise bei vorhandenem C-Körbchen keinen BH brauchen, sondern beneidenswert straffes Bindegewebe besitzen) aber insgesamt noch durchweg eindimensional bleiben. Ebenso eindimensional bleibt die gegnerische Schülergang, die halt einfach nur arschig ist. Einzig eine Person sticht aus der Reihe der jugendlichen Nebencharaktere heraus: Die düstere, drogenabhängige und (Vorurteil :-P) tätowierte Céline, welche sich nicht an das Leben in der Siedlung anpassen will. Doch sie ist durch ihre Drogensucht abhängig vom korrupten Beamten Bagster, welcher unter den erwachsenen Personen die Rolle des Antagonisten übernimmt. Ihm entgegen steht die alternde Siedlungsleiterin Miss Kingsten, welche im Comic als eine Art strenge Mutter mit Herz am rechten Fleck etabliert wird. Erwähnenswert ist auch noch der einarmige Veteran und Mentor Mr. Williams, und dann haben wir schon alle Klischees einer Apokalypse-Dorfgemeinschaft komplett. Aber diese Figuren sind allesamt noch eher eindimensionale Randfiguren, die vermutlich jetzt schon positioniert werden um in den weiteren Teilen eine wichtigere Rolle zu übernehmen und die Handlung voranzutreiben. Gerade die Drogengeschichte rund um Céline und Bagster birgt einigen Zündstoff, da sehe ich viel Potential. Was ich dagegen ein wenig schade fand ist das Fehlen jeglicher Hintergrundinformationen. Klar, so kann man die Bedrohung am Ende überraschender gestalten, aber ich hätte schon gern gewusst wieso weshalb warum die Situation so ist, wie sie ist. Auch da hoffe ich deshalb, dass die weiteren Bände mehr Aufklärung bringen. Leider wird das noch ein wenig dauern, gerade erst ist der zweite Teil (Link) der Quintologie erschienen :-( Bisher aber schon über jeden Zweifel erhaben ist die grafische Umsetzung dieser Geschichte. Denn die ist schlichtweg hervorragend! Die Charaktere sind durchweg stylisch, dynamisch und unverwechselbar (auch wenn ich die Mädels dafür, dass sie in einer einsamen Siedlung mitten in der Gefahrenzone leben, als zu perfekt aussehend und nuttig angezogen empfinde :-P Aber das ist ja Geschmackssache, vielleicht soll dies auch nur die Hormon-vernebelte Blickweise der beiden Brüder andeuten? :-)). Aber wirklich angetan haben es mir die Landschaften. Bildgewaltig, detailliert und atmosphärisch in warmen Farben gezeichnet kann man sich daran gar nicht satt sehen – Wäre es keine Gefahrenzone würde ich dort direkt Urlaub machen wollen. Ebenfalls lobend erwähnen muss man die Verarbeitung und den Druck des Buches. Vollfarbige 80 Seiten im stabilen Hardcover, da hat „Cross Cult“ gute Arbeit geleistet. Man sollte die Geschichte in weniger als einer Stunde durchgelesen haben, aber trotzdem sind die 22 € für so ein hochwertig produziertes Nischenprodukt durchaus in Ordnung. Erwähnenswert ist auch die 35 € teure Vorzugsausgabe (Link). Diese ist auf 1444 Stück limitiert und umfasst 128 Seiten, außerdem enthält sie eine auffaltbare Landkarte. Fazit: Ohne jegliche Vorabinformation zu „Gung Ho“ bin ich wirklich neutral und vorurteilsfrei an den ersten Teil „Schwarze Schafe“ herangegangen. Und was soll ich sagen, ich wurde nicht einfach nur positiv überrascht, sondern wirklich begeistert. Die Handlung bietet genug Potential für die nächsten Ausgaben. Vor allem aber lässt sie sich wunderbar viel Zeit um die handelnden Akteure einzuführen und die Spannung aufzubauen. Zwar vermisse ich noch ein paar Hintergrundinformationen und tiefgründigere Charakterzeichnungen. Doch die Atmosphäre ist hervorragend und die Zeichnungen sind prachtvoll. Um mal einen Vergleich zu ziehen: Jede gute Pilotfolge einer TV-Serie lässt noch Fragen offen, damit man auch das nächste Mal anschaltet. Und genau das ist „Schwarze Schafe“ - Eine gute Pilotfolge für die „Gung Ho“-Serie :-D
Tags