Partnerschaftliche Gewalt ist etwas, was mich mein Leben lang begleitet hat: Im Ghetto-Plattenbau war das bei den Nachbarschaft an der Tagesordnung (und ebenso das Ablehnen von Hilfsangeboten), zudem gehört die Thematik auch jetzt noch zu meinem beruflichen Alltag und ich wurde leider auch in meiner engsten freundschaftlichen und familiären Umgebung viel zu oft damit konfrontiert. Ich bin hier also ziemlich sensibel und schnell dabei, etwas zu verreißen, wenn es sich dem Thema nicht mit dem gebührenden Respekt annimmt...
Lucie wurde von ihrem Mann geschlagen, Tamara von ihrem großen Bruder sexuell missbraucht und Nicole von Mitschülern vergewaltigt. Alle drei haben den Schmerz tief verborgen und werden durch ihre Ängste bestimmt: Lucie kann nur noch mit einem Messer unter dem Kopfkissen schlafen und oft lässt sie ihren Frust am gemeinsamen Kind aus. Tamara betäubt sich mit Alkohol und Drogen, während sie Halt in einer weiteren toxischen Beziehung sucht. Und Nicole, ganz allein und zurückgezogen lebend, leidet an psychosomatischen Schmerzen. Ein therapeutisch betreuter Fechtkurs soll ihnen und sieben weiteren Frauen bei der Bewältigung ihrer Traumata helfen.
„En Garde!“, geschrieben und gezeichnet von Quentin Zutton (mitverantwortlich für den sehr sensiblen Trans*-Comic „Nennt mich Nathan“ (Link)), begleitet diese drei Frauen bei ihrer einjährigen Therapie. Er zeigt, allerdings ohne explizite Bilder, was ihnen widerfahren ist und auch, wie lang und schmerzhaft der Heilungsprozess ist. Dabei geht er weniger auf die psychiatrische Therapie ein (die Gesprächssitzungen machen nur einen sehr Teil der 208 Seiten aus), sondern er verdeutlicht vielmehr, wie wichtig die gegenseitige Unterstützung und das Empowerment der Frauen untereinander ist. Der sicherlich interessanteste, wenn zugleich auch bedrückendste Teil der Geschichte ist dabei die Ignorierung des Missbrauchs durch das soziale Umfeld beziehungsweise dessen Reaktion auf die ans Licht kommenden Tatsachen, welches immer wieder versucht, den Opfern die (Mit-)Schuld zuzuschieben. Diese Momente sind entlarvend und machen aus „En Garde!“ einen der wichtigsten Comics dieses Jahres. Vielen Dank an den „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), dass er sich so eines unangenehmen Themas annimmt.
Fazit: „En Garde!“ (Link) ist ein ebenso sensibel erzähltes wie auch gezeichnetes Meisterwerk!