Eine der ersten Graphic Novels, die ich vom kleinen Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ in die Finger bekommen habe, war das Fantasy-Epos „Elya: Die Nebel von Asceltis“. Dessen Auftaktband „Die Geburt“ (Link) begeisterte mich zwar mit wundervollen Zeichnungen, aber ehrlicherweise blieb mir vor allen die völlig überladene, dabei arg hingeschluderte Handlung im Gedächtnis, die wie ein überlanger Prolog wirkte. Da die gesamte Reihe jedoch nur aus zwei Bänden bestehen sollte, fragte ich mich seit Anfang 2017, wie der Autor Nicolas Jarry denn bloß all die aufgeworfenen Handlungsfäden in einem einzigen, gerade mal 56 Seiten dünnen Band zu einem schlüssigen Ende bringen würde... Nun hab ich den finalen Band „Rache“ in der Hand und kann zumindest sagen, dass er sich redlich bemüht hat ;-)
Eine kleine Rekapitulation des Auftaktbandes: Der verstoßene Königssohn Erwal, eigentlich rechtmäßiger Thronerbe, möchte zur Beerdigung des Vaters in seine alte Heimat zurückkehren. Sein jüngerer Bruder, der nun aktuelle Herrscher Yslain, gestattet ihm dies. Dieser wiederum hat seine ganz eigenen Probleme: In seinem Königreich sterben die Bäume des Lebens, anstatt Sylven (so eine Art Baumkinder) zu gebären... Durch allerlei unerfreuliche Ereignisse entschlüpft dem Mutterbaum dann aber doch ein solch magisches Geschöpf, welches sogleich von den fiesen Häschern des Usurpator gejagt wird. Irgendwann wird sie im Gebirge gestellt, doch ein alter Schwertmeister beschützt sie und nimmt sich ihrer an...
Genau hier setzt der Abschlussband an: Der alte Schwertmeister und seine Bediensteten versuchen das Vertrauen der Sylve zu gewinnen. Das dauert aber einige Zeit, immerhin hat die junge Sylvenfrau bisher nur bösartige Mitmenschen (oder wie auch immer die weißäugigen Fantasy-Humanoide heißen?) erlebt. Das Verhältnis zum Schwertmeister bessert sich erst, als dieser sie mit seinem Leben verteidigt... Mittels einem magischen Ritual erlangt sie die Weisheit der Erde und erfährt nun, dass hinter all den Intrigen des ersten Bandes die machthungrige Lyenn steckt, damit sie die neue Mutter der Wurzeln wird. Als echtes Baumkind kann die Sylve das aber nicht zulassen, sodass es zu einer epischen Finalschlacht kommt – Naja, zumindest theoretisch, denn hier sind wir schon bei dem großen Problem dieses Bandes: 56 Seiten reichen einfach nicht aus, um diese verschachtelt präsentierte Geschichte – ich es hab in der Rezension des Auftaktbandes als „gefühlte Komplexität“ beschrieben – angemessen episch zu erzählen. Viel zu häufig gibt es Szenenwechsel, sodass die verschiedenen Handlungsfäden überhaupt nicht die Zeit bekommen, sich angemessen zu entfalten. Gerade wo es doch um finstere Intrigen und altehrwürdige Naturmystik geht sollte man doch eher auf intensive, atmosphärische Gespräche setzen und nicht auf eine stakkatoartige Schauplatzparade. So verpuffen Intrigen zu bloßen Gedankenfetzen und die theoretisch dramatische Endschlacht wird ein unübersichtliches Geplänkel... Jeder wird hier sofort an die missglückte „Game of Thrones“-Finalstaffel denken müssen :-(
Und das ist wirklich schade, denn tatsächlich merkt man gegen Ende, dass Lyenns Intrigen gar nicht mal so dumm sind und dass der Autor mit einer durchdachteren Erzählgeschwindigkeit (oder einfach mehr Seiten bzw. Bänden) hier eine wirklich nette Fantasy-Geschichte hätte erzählen können. So aber tun Prota- und AntagonistInnen, von denen man nichts weiß und die einem entsprechend völlig egal sind, irgendwelche Dinge vor einer immerhin wirklich wunderschönen, mystischen Naturkulisse... Tatsächlich retten die atmosphärischen Zeichnungen auch diesmal die „Elya: Die Nebel von Asceltis“-Reihe. Das sieht wirklich gut aus :-) Auch die Druckqualität kann sich sehen lassen, sodass das 56 Seiten starke Hardcover, für welches „Bunte Dimensionen“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) glatte 16 € haben möchte, für Fantasy-Fans fair bepreist ist.
Fazit: Meine Befürchtungen haben sich leider bestätigt, denn „Elya: Die Nebel von Asceltis #2 Rache“ (Link) ist zwar besser als der Vorgänger, aber leider viel zu kurz, um die überladene Geschichte angemessen zu erzählen... Eigentlich hat der Autor Nicolas Jarry hier kein Komplexitätsmonster erschaffen, da hätten zwei Bände tatsächlich irgendwie ausgereicht, aber weil er im Auftaktband so unglaublich trödelt, leidet nun der Abschlussband. Wirklich traurig, dass die schönen Zeichnungen deshalb so vergeudet werden :-(