Wenn ich unter meinen weiblichen Bekannten und Freundinnen eine Umfrage durchführen würde, welcher ihr liebster MARVEL-Superheld sei, dann käme (maßgeblich beeinflusst durch Tom Hiddleston in den Verfilmungen) mit einer großer Wahrscheinlichkeit der Lügengott Loki auf den ersten Platz. Weil der doch in Wirklichkeit ganz ein Lieber ist und all die Mädels ihn ändern würden... In diese Richtung dachte vermutlich auch der Comedy-Autor Daniel Kibblesmith, der uns mit dem Sammelband „Der Gott, der zur Erde fiel“ einen geläuterten Möchtegern-Superhelden im schlabbrigen Millennial-Look präsentiert.
Der Lügengott Loki wurde zum Guten bekehrt und ist nun der rechtmäßige König der Frostriesen. Aber zugegeben, kleinkarierte Tagespolitik im Stile von „Wem gehört rechtmäßig die Axt?“ ist jetzt nicht wirklich spannend, sodass sich Loki zu Höherem berufen fühlt: Er will ein Avenger werden! Außer ihm findet aber niemand seine Idee gut: Thor lacht ihn aus und der Avenger-Anführer Tony Stark setzt ihn direkt wieder vor die Tür... Also schließt er einen schicksalsträchtigen Pakt mit Eternitys Kindern, welche ihm mehr Zeit für Heldentaten im Austausch für einem schrecklichen Tod versprechen. Und schon bald bietet sich die erste Gelegenheit dafür, denn der Dämon Nightmare hat es auf Loki abgesehen.
Auf dem Backcover, also der Rückseite des 124 Seiten starken Softcovers, wirbt der „Panini Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) u.a. mit dem Zitat „Eine tiefgründige Analyse von Lokis Historie und Persönlichkeit“ – Das ist dann doch ein ganz klein wenig übertrieben, auch wenn der ehemalige Superschurke einige Zeit zur Selbstreflektion und zur Charakterentwicklung erhält. Wer die Figur nur aus den Filmen kennt, wird hier sicherlich mehr über den geläuterten Protagonisten erfahren, mehr aber auch nicht. Von diesem nicht ganz eingelösten Werbeversprechen mal abgesehen bekommt man mit „Der Gott, der zur Erde fiel“ aber einen über weite Strecken wirklich unterhaltsamen Comic-Sammelband. Gerade die Szenen auf der Erde, beispielsweise die Interaktion mit Tony Stark und der kreative Endkampf mit Nightmare sowie der Meta-Ausflug zum Eternity-Nachwuchs machen viel Spaß. Außerdem gibt es noch eine Art Epilog-Bonusgeschichte, in der Loki gemeinsam mit Wolverine eine WildWest-Bande aufmischt, das machte durchaus Lust auf mehr :-) Gerade der Einstieg gerät aber ein wenig zäh und insgesamt verfügt die Geschichte über einige Handlungsstränge, die nicht vollständig zufriedenstellend aufgelöst werden. Beispielsweise wird die queere Megan, welche unfreiwillig zum Einfallstor von Nightmare wird, erst prominent eingeführt, um dann mit einem Binsenweisheit-Ratschlag abgefrühstückt zu werden. Hier merkt man deutlich, dass diese Loki-Reihe nach den fünf Bänden abgebrochen wurde, sodass sich viele Ideen nicht richtig entfalten konnten. Schade, denn dieser erste Sammelband hat eigentlich Lust auf mehr gemacht. Gerade auch, da die Zeichnungen wirklich gefällig waren und mir die dezente Prise Humor das ein oder andere Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat. Zum Glück gibt es aber keinen großen Cliffhanger, sodass man den Sammelband gut für sich alleinstehend lesen kann.
Fazit: „Loki: Der Gott, der zur Erde fiel“ (Link) ist ein über weite Teile wirklich unterhaltsamer Comic, der Fans des Lügengottes begeistern wird.