Eine der ersten Comic-Reihen, die mir der kleine Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ zur Rezension überließ, war die Vietnamkriegstrilogie „Bomb Road“ (Link) von Michel Kœniguer. Die Fazit-Formulierung „Kampfflugzeug-Porno“ war damals sicherlich etwas provokativ gewählt, traf den Inhalt aber perfekt :-P Mit „Misty Mission“ ist nun eine weitere Comic-Trilogie erschienen, die sich mit einem heldenhaften US-Piloten während des Vietnamkriegs befasst. Und da stellt sich natürlich sofort die Frage, ob Kœniguer jetzt einfach nochmal die gleiche Heldengeschichte erzählt... Die „Misty Mission“-Trilogie handelt von zwei allerbesten Freunden, die unterschiedlicher nicht sein können: Der eine ist ein reicher Schnösel, der andere ein zwielichtiger Redneck. Nein, gemeint sind nicht Blognamensgeber Stephan und ich, sondern die beiden Protagonisten Nicholas Beaulieu und Joshua Lacour ;-)
1. Der Auftaktband „Wie im Himmel so auf Erden“ (Link) beginnt im Jahr 1967. Der Vietnamkrieg tobt unerbittlich. Der kurz vor seinem ersten Einsatz stehende Kampfpilot Nicholas heiratet notgedrungen seine schwangere Freundin – Das macht man als echter Südstaaten-Gentlemen halt so, immerhin muss er ja den Ruf seines politisch ambitionierten Unternehmervaters wahren. Auf der Hochzeit ebenfalls anwesend ist sein bester Freund Joshua, der auf der Rückfahrt etwas zu sehr nach Alkohol riecht, sodass ihn die Polizei einkassiert. Da er schon einige Dinge auf dem Kerbholz hat, kann er zwischen einem halben Jahr Knast oder einem ganzen Jahr Wehrdienst wählen. Er entscheidet sich für letztere Option und so landet er als Kanonenfutter im vietnamesischen Dschungel, wo sich seine Wege immer mal wieder mit denen von Nicholas kreuzen.
2. Der Mittelteil „In der Hölle wie im Paradies“ (Link) gestattet Nicholas und Joshua eine kurze Verschnaufpause, denn die beiden dürfen auf einen ersten Heimaturlaub zurück ins ländliche Alabama. Doch beiden fällt die Rückkehr schwer: Nicholas hat ein schmutziger Geheimnis über seinen Vater, einen hochdekorierten Weltkriegshelden, erfahren. Und dieses Geheimnis hindert ihn daran, in eine neue Elite-Fliegerstaffel aufgenommen zu werden. Zudem entfremdet er sich immer mehr von seiner Frau und seinem Kind... Entfremdet hat sich auch Joshuas Freundin, die nun andere Typen datet, aber für eine schnelle Nummer mit ihm immer noch zu haben ist ;-) Zudem muss Joshua den Tod seines Vaters verarbeiten, was ihm eher schlecht als recht gelingt, sodass er sich immer mehr zu einer emotional abgestumpften Kampfmaschine entwickelt.
3. Das war bisher doch eigentlich ganz schön viel Story im Vergleich zu „Bomb Road“ :-P Doch ausgerechnet im Abschlussband „Die Finsternis im Fegefeuer“ (Link) kopiert Kœniguer seine vorherige Vietnamkriegstrilogie 1 zu 1! Denn der immer mehr Risiken eingehende Nicholas wird bei einer waghalsigen Bombermission abgeschossen und sein alter Kumpel Joshua muss ihn da mit allerlei Luftunterstützungskrawumm und Rumgeballere rausholen – Ob es diesmal auch so ein Happy End gibt wie für Pete & Townsend in „Bomb Road“?
Ich habe es im ersten Satz der Zusammenfassung des dritten Bandes ja schon anklingen lassen: „Misty Mission“ enthält viel mehr erzählerisches Drumherum als der Kampfflugzeug-Porno „Bomb Road“. Sicherlich, die kurzen Story-Schlenker nach Alabama sind jetzt weder ein ausgefeiltes Charakterdrama (dafür sind die beiden Hauptfiguren dann doch zu flach und unsympathisch) noch besitzen sie einen dramatischen Spannungsbogen (sowohl das Geheimnis rund um die Väter der Protagonisten als auch die Beziehungskisten werden fast schon antiklimatisch aufgelöst). Aber sie machen die Figuren doch greifbar, denn anders als die fast schon an „Top Gun“ erinnernde, patriotische „Ich bin der geilste Pilot auf Gottes Erde“-Heldengeschichte in „Bomb Road“ wird hier zumindest grob thematisiert, wie die traumatischen Kriegserlebnisse die Beteiligten emotional verkrüppeln lassen. Wie gesagt, das ist kein tiefenpsychologisches Charakterdrama, aber es macht die beiden Protagonisten doch glaubwürdiger als den „Bomb Road“-Sonnyboy Townsend. Diese ruhige Szenen, egal ob in Alabama oder auf irgendeinem Dschungel-Stützpunkt, nehmen aber gefühlt nur ein Drittel des erzählerischen Raumes ein. Die anderen beiden Drittel bieten genau das, was die LeserInnen vom Autor & Zeichner Kœniguer erwarten: Zumeist spektakuläre Kriegsaction, sowohl am Boden als auch in der Luft. Erneut wird die Ästhetik und Schönheit der Flugmaschinen zelebriert, so wie wir es halb von Kœniguer kennen ;-) Aber auch die Bodeneinsätze können sich sehen lassen, auch wenn sie gelegentlich ein wenig Atmosphäre durch die nicht immer ideale Kolorierung verlieren. Dazu passt die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten), sodass Genre-Fans hier bedenkenlos jeweils 14 bzw. 15 € für die jeweils 48 Seiten starken Hardcover zahlen können. Fazit: Mit „Misty Mission #1-3“ (Link) merzt Kœniguer nahezu alle meine Kritikpunkte aus, die ich an seiner Vorgänger-Trilogie „Bomb Road“ hatte. Daher eine große Empfehlung für alle Genre-Fans!
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