Gut geschriebene Kriminalfälle sind ja so ein kleines Faible von mir und deshalb konnte ich mich in den letzten Jahren für so manche Graphic Novel aus dem „Splitter Verlag“ begeistern (man denke nur an die großartigen Bände „Schwarze Seerosen“ (Link) und „Der perfekte Mord“ (Link)). Nun erscheint mit „7 Detektive“ eine siebenteilige Anthologie-Reihe, in welcher der Comic-Autor Herik Hanna seine verschiedenen Genre-Interpretationen von verschiedensten Comic-KünstlerInnen umsetzen lässt. Den Auftakt macht „Miss Crumble: Das gestiefelte Monster“, einem auf den ersten Blick ganz klassischen Whodunit-Krimi mit Adelsthematik und schrecklichen Familiengeheimnissen in einem beschaulichen englischen Dörfchen. Die pensionierte Dorflehrerin Crumble hat dort schon öfters mal der Polizei ausgeholfen, doch mittlerweile ist ihr größtes Problem der Erdbeer-Diebstahl durch die örtlichen Dorfjugend. Aber dann überschlagen sich die Ereignisse: Der im 1. Weltkrieg verschollene Graf Crackersmith kehrt zurück! Und mit ihm eine Mordserie, die sogar vor adeligen Familienmitgliedern und auch dem Graf höchstselbst keinen Halt macht... Klar, dass Miss Crumble sofort mit den Ermittlungen beginnt, geraten doch auch enge FreundInnen in das Visier des Mörders! Bevor die durchaus interessante Mordserie jedoch beginnt, werden die LeserInnen erst einmal mit der Rückkehr des Grafen, den handelnden Haupt- und Nebenfiguren sowie dem Dorfklatsch vertraut gemacht. Das vermittelt durchaus die wohlige Wohlfühlatmosphäre britischer Krimi-Schmonzetten, in denen (der Mord ausgenommen) eine verklärte „Ach war das schön damals“-Nostalgie präsentiert wird – Wer manchmal durch das öffentlich-rechtliche Nachtprogramm (besonders „ZDFneo“) durchzappt, in dem bis zum Erbrechen englische TV-Krimis wiederholt werden, weiß genau, was ich meine :-P Leider zieht sich dieser wohlige Atmosphäre-Aufbau (inklusive Dicken-Witzen) dann ein wenig, sodass man nach rund einem Viertel des Bandes unglaublich froh ist, dass endlich mal ein wenig Blut fließt ;-) Dann geht es aber Schlag auf Schlag und man beginnt langsam, selber mitzurätseln. Nur geht es den LeserInnen hierbei genau wie Miss Crumble: Man bleibt ein passiver Beobachter der Mordserie, der erste Ermittlungsdurchbruch kommt nur dank einem plötzlichen Geständnis zustande – Sogar die Protagonistin selbst gesteht sich gegen Ende der Geschichte ein, dass sie der Polizei so gar keine Hilfe ist... Das ist für die Miss Crumble, aber auch die miträtselnden LeserInnen, natürlich ein wenig enttäuschend :-( Immerhin wird man dann am Ende mit einem unerwarteten Twist belohnt, den zumindest ich nicht habe kommen sehen. Gesehen habe ich stattdessen aber die großen Brüste von Miss Crumble – Zugegeben, die Sexualisierung dieser alten Frau war für mich doch ein wenig verstörend. Man könnte fast meinen, Sylvain Guinebaud hat zu viele GILF-Pornos geschaut (wenn Ihr nicht wisst, was das ist, dann tut Eurem Seelenfrieden einen Gefallen und googelt bloß nicht!). Dass Miss Crumble zudem den Charme einer alten Gouvernante hat und ihre Charakterzüge bloße Behauptung bleiben, macht sie jetzt auch nicht sympathischer. Und das ist doppelt traurig, denn bekanntermaßen kann eine charismatische Hauptfigur ja oft einen mittelmäßigen Krimi-Plot retten... Tja, hier halt nicht :-( Schade um die ansonsten schönen Zeichnungen, welche an einigen Stellen jedoch etwas unscharf wirken, was vielleicht dem üblichen Großband-Format vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) geschuldet sein könnte. Fans von Kriminalfällen in Adelskreisen, und von denen gibt es den nächtlichen TV-Wiederholungseinschaltquoten zufolge ja eine ganze Menge, können die 16 € für das 64-seitige Hardcover aber investieren. Fazit: Sagen wir, wie es ist: „Detektive #1 Miss Crumble: Das gestiefelte Monster“ (Link) ist pure Genre-Kost für Fans britischer Adelshaus-Krimis, bei denen die „Früher war alles noch so idyllisch“-Atmosphäre einen höheren Stellenwert hat als ein spannender „Whodunit“-Mitratespaß oder sympathische/schräge/charismatische ProtagonistInnen.
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