Wie wir in unseren beiden bisher dazu erschienenen Podcast-Episoden (die Folge mit UGG-Chef Udo, Link) schon angemerkt hatten, liegt der größte Knackpunkt bei der Konfliktsimulationsnachwuchsgewinnung an der regeltechnischen Einstiegshürde. Denn sind wir ehrlich, so eine sich über mehrere Echtzeit-Tage hinziehende Pappplättchenschlacht spricht nur einen sehr kleinen Kreis an SpielerInnen an. Hier ergeben sich nun zwei mögliche Lösungsansätze: Entweder vereinfacht man diese CoSims (neudeutsche Abkürzung für Konfliktsimulationen) soweit, dass sie zwar Eurogames-GelegenheitsspielerInnen ansprechen, dafür aber ins Belanglose abdriften (wie z.B. „STRATAK WARS“ (Link)). Oder aber man versucht, einen massentauglichen Spielmechanismus mit historisch-realistischem Charme zu verbinden. So geschehen beim Weltkriegskartenspiel „The Longest Trench: Famous Battles of World War I“, welches demnächst vom deutschen CoSim-Spezialisten „Udo Grebe Gamedesign“ gekickstartet wird. Ich hatte das große Vergnügen, eine Preview-Version ausführlichst testen zu dürfen :-) Wie der Spieltitel es bereits vermuten lässt, spielt dieses CoSim-Kartenspiel im 1. Weltkrieg. Insgesamt 20 Schlachten, jeweils vier pro Jahr und darunter auch zwei Seegefechte, versuchen zwei (erweiterbar bis vier) SpielerInnen auf Seiten der Mittelmächte oder der Alliierten zu gewinnen. Dabei legen sie nacheinander Spielkarten aus, welche beispielsweise Armeen, Generäle, Flotten oder Unterstützungseinheiten symbolisieren, und vergleichen anschließend ihre Spielwerte. Klingt simpel? Ist es auch! Jede Schlacht gliedert sich in drei Phasen mit je drei bis fünf Aktionen auf:
1. In der Vorbereitungsphase zieht die angreifende Fraktion die von der Schlacht vorgegebene Anzahl an Extrakarten, bevor beide SpielerInnen nacheinander eine Spezialkarte (z.B. Aufklärungsflüge, welche die Würfelergebnisse modifizieren, oder Eisenbahnnachschub, der mehr Armeen in der Schlacht erlaubt) auslegen. Anschließend darf man von seinen maximal neun Handkarten noch bis zu drei austauschen. 2. Nun folgt der eigentliche Kampf. Abwechselnd, beginnend mit der angreifenden Fraktion, können drei Armeen offen nebeneinander ausgelegt werden. Jede Armee besetzt dabei einen Teil der Front, also die linke & rechte Flanke sowie das Zentrum. Alle Armeen besitzen einen regulären Kampfwert sowie einen Kampfbonus, der immer dann ausgelöst wird, wenn die Armee an einer Schlacht teilnimmt, an der sie historisch wirklich teilgenommen hat. So kann man als Alliierter beispielsweise amerikanische und kanadische Armeen bereits in den 1914er Schlachten einsetzen, ihren Bonus bekommen sie aber erst zum Kriegsende 1918. Anschließend darf man noch pro Frontabschnitt eine verdeckte Unterstützungskarte hinzufügen, welche zumeist diesen Frontabschnitt oder aber alle eigenen Armeen aufwertet. Dann folgt der Artillerieschlag, bei dem man pro Frontabschnitt einen W6 würfelt, dessen Ergebnis (anfangs 1 – 3, später 1 – 4) dem Kampfwert hinzugefügt wird. Ist das alles erledigt, werden pro Frontabschnitt die summierten Kampfwerte miteinander verglichen. Logischerweise siegt die Fraktion mit dem höheren Kampfwert, bei Gleichstand geht die Front an den Verteidiger. Wer mindestens zwei der drei Fronten gewinnen konnte, hat die Schlacht gewonnen. 3. Zuletzt werden noch die Nachwirkungen der Schlacht abgehandelt: Die Armeen/Flotten, die mindestens vier Kampfpunkte weniger hatten als der Gegner, werden als zerstört abgelegt. Alle anderen Karten gehen auf den Reservestapel, aus dem sich der Nachzugstapel speist. Dann werden die Siegpunkte verteilt und allerlei (Bonus-)Karten gezogen.
...und so geht es dann zwanzig Schlachten lang hin und her, nahezu immer mit dem gleichen Regelmechanismus (bei den beiden Seeschlachten und im späteren Kriegsverlauf gibt es geringfügige historische Abweichungen). Daher, hat man das Spielprinzip erst einmal verstanden – und das dauert kaum mehr als die vier Schlachten des Jahres 1914 – kann man ohne Probleme den gesamten 1. Weltkrieg durchkämpfen :-) Dabei bleibt das zugegeben recht glücksabhängige CoSim-Kartenspiel durchweg spannend, da man immer wieder mit neuen taktischen Herausforderungen konfrontiert wird. Wichtig ist hier primär das Ressourcen-Management, denn immer wieder muss man sich fragen, ob man nicht lieber mal verliert, damit man sich seine Armeen für spätere Schlachten aufsparen kann, in denen sie ihren Kampfbonus bekommen. Oder man fragt sich, ob man die sehr seltenen Flottenkarten bis zu den beiden Seeschlachten auf der Hand behält oder ob sie nicht lieber gegen sinnvollere Karten eintauschen will. So bleibt das Spiel wirklich bis zum Schluss spannend, auch wenn ich zugeben muss, dass bei unseren Testspielen das reguläre Ende (nach der 4. Schlacht 1918) nie erreicht wurde, weil irgendwer doch vorher schon einen Totalsieg errungen hatte. Was bei einem Kartenspiel mit CoSim-Wurzeln, auch wenn es einen eher massentauglichen Spielmechanismus besitzt, wichtig ist, ist die Einbettung des historischen Szenarios. Tatsächlich wirkt die Thematik des 1. Weltkriegs nicht aufgesetzt, stattdessen vermitteln historische Persönlichkeiten und Ereignisse sowie der durch den Kampfbonus „sanfte Druck“, seine Truppen historisch korrekt zu verwenden, eine gefühlte Authentizität. Geschichtsnerds werden natürlich mit der Nase rümpfen, aber für die angepeilte Zielgruppe ist die Umsetzung vollkommen in Ordung :-) Apropos Umsetzung, meine Preview-Version hat bereits einen guten Eindruck hinterlassen. Die Spielkarten waren stabil und übersichtlich, lediglich die rote Farbe des Bonuskampfwertes war in den Testspielen eher schlecht zu lesen. Am Schlachtübersichtsplan gibt es gar nix zu meckern, auch das Regelwerk macht einen durchaus guten Job. Leider hat es aber bisher die gewohnte CoSim-Ästhetik, was „normale“ Eurogames-SpielerInnen zweifelsohne abschrecken wird. Nicht abschreckend halte ich dafür den voraussichtlichen Preis (das ist ja auch immer so ein Knackpunkt bei CoSims ;-)), denn für weniger als 20 € bekommt man in der Box neben Kleinkram wie Würfeln und Markern geplant 110 Spielkarten, das Regelheft und einen DIN-A3-Pappspielplan. Wobei da im Rahmen des Kickstarters, der wohl im September starten wird, sicher noch etwas Bonusmaterial hinzukommen wird. Für einen deutschen Indie-Verlag geht der Preis voll in Ordnung. Fazit: Ich bin ganz ehrlich sehr begeistert von „The Longest Trench: Famous Battles of World War I“ (Link) :-D Ein spannendes Spielprinzip, dass für manche SpielerInnen vielleicht den Einstieg in die CoSim-Welt darstellen könnte. Ich freu mich auf den Kickstarter!