Mit „klassischen“ Fliegercomics, in denen überwiegend arg maskuline Kriegspiloten jeder Herausforderung trotzen, bringt man den „Splitter Verlag“ ja normalerweise nicht in Verbindung ;-) Und so war ich von der dramatischen Weltkriegsluftschlacht auf den ersten Seiten des „Liberty Bessie“-Zweiteilers dann doch ziemlich weggeblasen! Dringt der Verlag jetzt doch in neue Genre-Sphären vor?
Um es kurz zu machen: Leider nein! „Liberty Bessie“ ist, trotz ansehnlicher (Nebelflug in den Pyrenäen) bis großartiger (Luftkampf zu Beginn) Flugzeug-Action, eben kein stumpfer Fliegercomic. Sondern vielmehr die Suche einer jungen Pilotin nach ihren Wurzeln...
Alabama 1948: Die junge Schwarze Bessie hat sich gegen all die sexistischen, rassistischen und auch familiären Widerstände dieser Epoche durchgesetzt und eine Pilotenlizenz erworben. Wirklich viel kann sie damit aber nicht anfangen, denn der Arbeitsmarkt ist von wesentlich erfahreneren, aus dem Krieg heimgekehrten Piloten übersättigt. Doch da zeigt sich ein Lichtstreifen am Horizont: Die Erkennungsmarke ihres im Krieg verschollenen Vaters, einem Mitglied der ersten afroamerikanischen Jagdstaffel „Tuskegee Airmen“, wurde in Libyen gefunden. Was eigentlich gar nicht sein kann, wurde sein Jäger doch viele hundert Kilometer nördlich in Italien abgeschossen. Von der Neugier angetrieben, packt Bessie die Gelegenheit beim Schopf und wagt eine Reise nach Frankreich. Dort will sie sich etwas Geld als Pilotin verdienen, um dann mehr über den Verbleib ihres Vaters herauszufinden... Doch auch dort ist es gar nicht so leicht, eine vernünftige Anstellung zu bekommen, sodass sie sich letztendlich als Co-Pilotin eines versoffenen Schmugglers durchschlagen muss. Dabei gerät sie immer wieder in brenzlige Situationen – Aber sie bekommt auch einen ersten Anhaltspunkt, was wirklich mit ihrem Vater geschehen ist...
Der Auftaktband „Eine Pilotin aus Alabama“ des Zweiteiles „Liberty Bessie“ nimmt sich nach dem fulminanten Auftakt erst einmal etwas Zeit, um die Protagonistin zu etablieren: Bessie wird trotz aller Schönheit nicht als Pin-Up etabliert, sondern als selbstbewusste, starke Frauenfigur, mit deren Neugier und Beharrlichkeit man sich als LeserIn gut identifizieren kann. Sie steht, neben den Flugzeugen, eindeutig im Mittelpunkt der Erzählung und drängt damit die anderen Nebenfiguren und auch das Szenario ein wenig an den Rand. Das ist im Großen und Ganzen kein Problem für das Lesevergnügen, doch sorgt es dafür, das die Geschichte sehr episodenhaft wirkt. Der rote Faden, also die Suche nach dem Verbleib des Vaters, ist jedoch immer präsent und man als LeserIn ist man letztlich durchaus gespannt darauf, wie die Handlung im Abschlussband aufgelöst wird. Und somit hat dieser Auftaktband, der ganz ordentlich (Figuren) bis wirklich gut (alles andere) gezeichnet und in warmen Farben koloriert wurde, seine Aufgabe dann auch vollumfänglich erfüllt ;-) Fans starker Frauenfiguren, aber auch Fliegereibegeisterte, dürfen bedenkenlos die 16 € zahlen, welche der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für das 56 Seiten starke Hardcover verlangt.
Fazit: „Liberty Bessie #1 Eine Pilotin aus Alabama“ (Link) ist eine unterhaltsame Abenteuergeschichte, die Lust auf den Abschlussband macht :-)