Es ist tatsächlich schon – sieht man vom Weltkriegstrash „Achtung! Cthulhu“ ab – so ziemlich genau 2,5 Jahre her, dass ich ein Cthulhu-Abenteuer rezensiert habe. Dabei konnte mich die Geburtstagsanthologie „30“ (Link) eigentlich gut unterhalten, doch hab ich nach wie vor meine Probleme mit der „deutschen Spielweise“ (nachzuhören in dieser Podcast-Folge ziemlich am Anfang, Link) ;-) Aber die nautische Grundprämisse dieser neuen Abenteueranthologie hat mich dann doch so gereizt, dass ich noch einmal meinen W100 rausgekramt habe :-D
Auf 96 Seiten finden sich hier drei grundverschiedene Gruselabenteuer, welche sich allesamt um schreckliche Mythos-Geschehnisse auf dem hohen Ozean drehen:
- In „Menschenfracht“ verkörpern bis zu acht SpielerInnen blinde Passagiere (z.B. einen tibetanischen Mönch oder einen chinesischen Dissidenten), welche sich in einem stickigen Container versteckt in die USA schmuggeln lassen wollen. Doch irgendwas geht schief, denn plötzlich fällt die Crew des riesigen Frachters dem Schrecken aus der Tiefe anheim. Dabei sind die acht vorgefertigten Charaktere darauf ausgelegt, dass es auch innerhalb der Gruppe zu Reibereien kommen kann, wodurch der Kampf ums Überleben (der sowieso schon sehr fordernd gestaltet ist) garantiert nie langweilig wird ;-) Prinzipiell ist das Abenteuer ziemlich frei gestaltet, denn das Containerschiff ist groß und die Möglichkeiten sind zahlreich, aber letztendlich ist die Chance auf ein auch nur halbwegs glückliches Ende ziemlich gering – StimmungsspielerInnen, die sich auf die verzweifelte Atmosphäre einlassen können, werden hier große Freude haben :-) - „Eisgefängnis“ ist das einzige der drei Abenteuer, das nicht darauf ausgerichtet ist, an einem einzigen Abend durchgespielt zu werden. Hier nehmen die SpielerInnen die Rolle von sowjetischen U-Boot-Offizieren ein, welche während einer Testfahrt in der Arktis von einem amerikanischen Jagd-Unterseeboot angegriffen werden. Wobei sich die Amerikaner sogar im Recht sehen, glauben sie doch, die Sowjets hätten zuerst geschossen – Stattdessen machten sie jedoch unsanfte Bekanntschaft mit, Cthulhu-Fans können es sich denken, riesigen Tentakeln ;-) Gestrandet im ewigen Eis, ohne Kontakt zur Außenwelt, müssen sich die Sowjets nicht nur mit einem riesigen UFO aus energiefressendem Material und kultistischen (Zombie-)Eskimos herumschlagen, sondern auch noch mit den Überlebenden des feindlichen US-Unterseeboots. Da stellt sich alsbald die moralische Frage, ob der Feind meines Feindes mein Freund ist??? Was für ein tolles Abenteuer! Ein unverbrauchtes Szenario, das auch wieder recht offen gestaltet wurde und atmosphärischen Spielspaß für zwei bis drei Spieleabende bietet. - Abgeschlossen wird die Abenteueranthologie mit „Tangaroa“ von meinem geschätzten Blogger-Kollegen Michael L. Jaegers, der hier ein spannendes Echtzeit-Szenario auf kleinstem Raum entworfen hat: Eine gerade mal aus fünf Räumen bestehende Unterwasser-Forschungsstation ruft um Hilfe und die SpielerInnen verkörpern den heldenhaften Rettungstrupp. Worauf sie dann genau stoßen werden (also ob der Notfall eher biologischer oder mythologischer Natur ist) bleibt der Spielleitung überlassen, aber eigentlich geht es in diesem Abenteuer auch mehr um die Interaktion der vier SpielerInnen miteinander. Denn Konflikte innerhalb der Gruppe bleiben nicht aus, was wiederum sehr gut zur Entstehungsgeschichte des Abenteuers passt, welche auch nicht ganz reibungslos verlief (Link). Aber selbst in der veröffentlichten Version halte ich „Tangaroa“ für ein Horror-Kleinod, welches ich mir nicht nur als hervorragendes Convention-Kurzabenteuer vorstellen kann (wenn sich die SpielerInnen als eskalationsfreudige DramaturgInnen erweisen), sondern mit geringen Anpassungen auch als LARP-Szenario.Alle drei Abenteuer sind übersichtlich gelayoutet sowie gut und flüssig lesbar geschrieben, dazu gibt es jeweils vorgefertigte Charaktere, eine ganze Handvoll meistens guter Handouts und auch ein paar ordentliche Illustrationen. Für den Preis von gerade mal 9,95 €, den „Pegasus Spiele“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) für das Softcover verlangt, kann man da echt nicht meckern :-D Fazit: „Cthulhu: Nautischer Nachtmahr“ (Link) bietet drei wirklich spannende, abwechslungsreiche Überlebenskampf-Abenteuer auf hoher See.