Lobeshymnen für das vielschreibende Ausnahmetalent Jeff Lemire gab es hier im Blog ja schon mehr als genug – Immerhin hat es der preisgekrönte Kanadier schon mehrfach geschafft, mich für Genres zu interessieren, denen ich eher neutral (Superhelden-Comics) oder ablehnend (Horror-Geschichten) gegenüber stand. Da sollte es ihm doch eigentlich unglaublich leicht fallen, mich für seine neuste Comic-Reihe „Ascender“ (als „Science-Fantasy“-Epos eigentlich genau nach meinem Geschmack) zu begeistern. Aber irgendwie klappt das diesmal nicht so richtig... Was man vielleicht vor der Lektüre dieses die ersten fünf US-Ausgaben enthaltenen Sammelbandes wissen sollte: „Ascender“ ist der Nachfolger der gefeierten SciFi-Comicserie „Descender“, in welcher gigantische Killerrobotter zahlreiche Planeten verwüsteten. Zehn Jahr ist deren letzter Angriff her, seitdem hat sich viel verändert: Nun wird die Galaxie von einer Mutter genannten Hexe unterjocht, die mit schwarzer Magie und zahlreichen Vampir-Lakaien jegliche moderne Technik auszurotten versucht. Das muss auch die kleine Mila schmerzhaft erfahren, die mit ihrem alleinerziehenden Vater auf der Flucht ist. Denn zufällig haben die beiden einen höchst illegalen Roboterhund gefunden, der eine Sternenkarte zu einer unbekannten Galaxie dabei hat... Wie man an aus meiner Einleitung sicher schon herauslesen kann, bin ich nie so richtig warm geworden mit „Ascender“. Zweifelsohne auch, weil ich den Vorgänger nicht kannte, aber auch, weil in diesem ersten Sammelband einfach kaum spannende Dinge passieren: Mila wird mit ihrer Jagdbeute vom Markt verjagt, findet dann den Roboterhund und wird anschließend, gemeinsam mit Papa, durch die Fantasy-Welt des Planeten gejagt. Bissel Ballerei, bissel Action, bissel Setting-Beschreibung. Parallel dazu die fiese Oberhexe, die ihrem fiesen Oberhexen-Business nachgeht. Und das war es dann auch schon... Ich bin sehr überrascht, wie schwach Jeff Lemire diesmal abliefert. Immer wieder strahlt, besonders durch das abgefahrene Setting (z.B. fliegende Riesenschildkröten), seine enorme Kreativität durch – Was hier aber fehlt, ist seine sonst gewohnte Genialität! In keiner anderen Reihe aus seiner Feder waren mir die ProtagonistInnen nach fünf US-Heften so dermaßen egal – Noch keine interessanten oder wenigstens unvorhersehbaren Twists in Aussicht, noch keine emotionale Bindung zu einer Figur, noch keine doppelten Böden in der Handlung oder auch nur eine die Neugier weckende moralische Ambivalenz... Nichts! Einfach nur ein paar seltsam fremd bleibende Figuren, die irgendwelchen Kram machen. Zur Ehrenrettung sei gesagt: Sicherlich werden sich Fans der Vorgänger-Reihe am Wiedererkennungswert des Settings und der Figuren erfreuen, für SerienneueinsteigerInnen fällt dieser Bonus aber weg :-( Immerhin arbeitet Jeff Lemire in dieser Reihe wieder mit Dustin Nguyen zusammen, der die LeserInnen wieder mit seinen sanften Aquarell-Zeichnungen verzaubern wird. Und so werden immerhin wieder Fans von abgedrehten, kreativen Bildern begeistert sind – Vielleicht nimmt die Geschichte ja doch noch Fahrt auf? Ab Juli werden wir es wissen, dann bringt der „Splitter Verlag“ (der mir in mutiger Weise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) den zweiten Band, wieder mit 136 Seiten im Hardcover für 19,80 €, heraus. Fazit: Jeff Lemire hat mich jetzt so oft mit tollen Comics verwöhnt, da erlaube ich ihm großzügigerweise mal einen Ausrutscher ;-) „Ascender #1 Die verwunschene Galaxie“ (Link) besticht erneut durch Lemires große Kreativität, doch von seiner Genialität fehlt diesmal jede Spur. Schade drum, denn grafisch macht der Sammelband eine ganze Menge her :-(
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