Die „Black Hammer“-Reihe ist in Comic-Kreisen mittlerweile ein echtes Phänomen! Denn der Vielschreiber Jeff Lemire hat ein ganz eigenes, in sich stimmiges Superhelden-Universum geschaffen, dass er – gerade in seiner Hauptstory, aber auch in einigen SpinOffs – immer wieder genüsslich dekonstruiert. Bei den ganzen Figuren kann man mittlerweile gern mal den Überblick verlieren, weswegen der neuste Band „Strassen von Spiral City“ weniger ein echtes SpinOff ist, sondern vielmehr ein Quellenbuch, das man noch mit drei Kurzgeschichten aufgefüllt hat. Die drei Kurzgeschichten erzählen jeweils kurze Episoden aus dem „Black Hammer“-Universum:
- In „Gigantisches Jahrbuch“ greift ein ekliges Zeitreise-Monster (ein riesiger Augapfel mit Tentakeln) nacheinander die (Anti-)HeldInnen der Hauptstory an, welche sich aber stets erwehren können... Das wirkt alles ein wenig mysteriös, weil man nach den Angriffen genauso ratlos ist wie die ProtagonistInnen, sieht dank wechselnder Zeichner aber ziemlich interessant aus. - Eine klassische Grundschul-Mobbingstory erzählt „Cthu-Louise“, in welcher die gleichnamige Titelheldin ob ihres fürchterlichen Aussehens in der Schule schlecht behandelt wird, eh sie ihrer wahren Bestimmung folgt und ihrem Cthulhu-Opa die sie drangsalierenden MitschülerInnen opfert. Die Geschichte hat mich ein wenig an „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“ erinnert, was gar nicht negativ gemeint ist, bleibt sie von den drei Kurzgeschichten doch noch am ehesten in Erinnerung. Denn mal unabhängig davon, dass mit Cthulhu das Popkultur-Phänomen der dunklen Phantastik thematisiert wird: Diese Geschichte fügt sich hervorragend in das „Black Hammer“-Universum ein, welches sich ja auch immer mit der Frage beschäftigt, wie die Mehrheitsgesellschaft auf andersartige Wesen reagiert. - Nach der Enzyklopädie folgt noch die Kurzgeschichte „Schrecken der Zukunft“, welche zum „Free Comic Book Day 2019“ veröffentlicht wurde. So richtig kann ich gar nicht beschreiben, worum es hier eigentlich geht, da die „Geschichte“ (bewusst in Anführungszeichen gesetzt) eher wie eine Art umfangreicher Teaser wirkt, der Lust auf künftige Publikationen machen soll. Und um ehrlich zu sein, spätestens, als im Verlauf der Story die „Black Hammer Squadron“-Jagdflieger gegen Nazi-Werwölfe antraten, konnte ich die weiten SpinOff-Bände gar nicht mehr erwarten ;-)
Etwas mehr als ein Viertel des 128 Seiten umfassenden Bandes befasst sich mit der Superhelden-Enzyklopädie, in der die handlungsrelevantesten (Anti-)HeldInnen, SchurkInnen und Schauplätze der Comic-Reihe vorgestellt werden. Aufmerksame LeserInnen erfahren hier keine großen Neuigkeiten, aber die zumeist einseitigen Vorstellungen bieten eine schöne Zusammenfassung... Ob es das jetzt aber wirklich gebraucht hätte? Ich will ehrlich sein: LeserInnen dieses Blogs und HörerInnen meines Podcasts (Link) wissen, wie sehr ich die „Black Hammer“-Reihe vergöttere und welchen riesigen Respekt ich vor ihrem umtriebigen Schöpfer Jeff Lemire habe. Und sie wissen auch, dass ich bisher bei jedem SpinOff ziemlich skeptisch war (“Mach halt endlich die Hauptstory weiter, anstatt noch mehr zu expandieren!!!!!1111einself“) und nach der Lektüre dann stets begeistert. Bei „Strassen von Spiral City“ muss ich nun aber wirklich mal ernsthaft fragen, ob es das jetzt wirklich gebraucht hat? Der Band wirkt durch und durch wie der Versuch, noch ein paar Dollar mehr aus der enormen Fanbase herauszuquetschen – Während man noch ein wenig Zeit schinden muss, weil der Autor vor lauter SpinOffs gar nicht mehr damit hinterher kommt, die Hauptstory fortzusetzen... Das klingt jetzt vermutlich negativer, als es es eigentlich gemeint war. Denn natürlich können sich beinharte „Black Hammer“-Fan den Band erneut bedenkenlos ins Regal stellen, liefert der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) hier doch wieder ein hochwertiges Hardcover zum akzeptablen Preis von 19,80 € ab. Aber es ist halt der erste Band der gesamten Reihe, der kein absolutes Must-have ist, sondern „nur“ ein tolles Nice-to-have ;-) Fazit: „Black Hammer: Strassen von Spiral City“ (Link) ist zur Hälfte ein das Wasser im Munde zusammenlaufen lassender Teaser für künftige Geschichten und zur Hälfte ein nostalgischer Rückblick auf eine glorreiche Comicserie. Trotz der bewährten Lemire-Qualität fragt man sich nach der Lektüre aber trotzdem, ob das wirklich hätte sein müssen?
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