In meinem Freundeskreis haben die alten Editionen der „Warhammer 40.000“-Rollenspielreihe noch immer sehr viele Fans. Entsprechend skeptisch waren sie beim Nachfolger „Wrath & Glory“, der u.a. ein neues Regelsystem (W6-Pool statt Prozentwürfe) einführte. Mit der neuen Starterbox hatten sie – und damit auch ich – die Gelegenheit, mal in die neue Edition hineinzuschnuppern... Zum eigentlichen Setting muss ja wohl nichts schreiben: In der fernen, düster-dunklen Zukunft gibt es einen nimmer endenden Krieg zwischen der sich im Universum ausgebreiteten Menschheit und allerlei Alienrassen, die das gar nicht toll finden. Und weil so ein paar Weltraum-Oks und Hightech-Tau nicht ausreichen, wollen auch noch fiese Chaos-Gottheiten nebst ihrer verdorbenen Anhängerschaft mitmischen... So wirklich viel mehr erfährt man im Starterset nicht über das Setting, aber das muss man auch nicht unbedingt, denn die ordentlich mit Spielmaterial gefüllte Box richtet sich generell eher an etwas erfahrenere SpielerInnen, die direkt vom Tabletop herüber kommen, oder aber an SystemumsteigerInnen wie meine Freunde. Absolut blutige Rollenspiel-AnfängerInnen, die ihre ersten Schritte ins Hobby wagen wollen, werden mit anderen Startersets (auch gern aus dem gleichen Verlagshaus) besser bedient sein... Aber damit greife ich dem Fazit schon vor, kommen wir erst einmal zum Inhalt: Im Starterset enthalten sind ein Regelheft mit 72 Seiten, ein Abenteuer mit 36 Seiten, sechs Deluxe-Charakterbögen mit vorgefertigten Charakteren (lobenswert, dass in solch einem Macho-Setting die Frauenfiguren 4:2 in der Überzahl sind :-D), zehn W6, zwei doppelseitige Spielfelder und eine ganze Hand voll Acryl-Marker. Auf den ersten Blick also schon mal alles gut! Dieser positive Ersteindruck verfestigt sich, wenn man ins Regelheft schaut: Anstatt von den üblichen „Wie funktioniert Rollenspiel“-Beispieldialogen, die es in den allermeisten Regelbüchern gibt, wird man hier stattdessen von einem fünfseitigen Comic begrüßt – Und der bricht die Regelmechanismen tatsächlich soweit runter, dass absolute EinsteigerInnen nach der Lektüre schon mal so grob wissen, was sie da eigentlich machen müssen :-) Wirklich schwer sind die Grundregeln aber eh nicht: Man bildet einen W6-Würfelpool aus Fertigkeit + Attribut, modifiziert dann noch ein wenig rum, und versucht den Schwierigkeitsgrad möglichst weit mit Ikonen (also Erfolgen: 1 je gewürfelter 4 & 5, 2 je gewürfelter 6 ) zu übertreffen. Hat man am Ende mehr 6er gewürfelt, als man eigentlich benötigt, kann man sich Vorteile wie mehr Schaden, schnellere Durchführung oder bessere Qualität kaufen. Sollte es nicht klappen, geht die Geschichte zwar weiter, man bekommt aber mehr Probleme (z.B. verliert man mehr Zeit als nötig oder büßt Ruhmpunkte ein). Außerdem gibt es noch den Zorn-W6, der bei jeder Probe mitgewürfelt wird. Bei einer 6 bekommt man einen Ruhmpunkt und damit die Möglichkeit, spätere Proben positiv zu beeinflussen (z.B. Wurfwiederholungen), bei einer 1 geht alles den Bach runter :-D Wie gesagt, das alles sowie auch noch die grundlegendsten Kampfregeln lernt man in dem Comic zu Beginn – Und das ist für EinsteigerInnen definitiv weniger abschreckend als der eigentliche Regelteil, der aus jeweils rund 20 Seiten eng beschriebenen Grund- und Kampfregeln besteht ;-) Dafür kommt man hier aber schon recht weit, solange man nicht gerade seinen eigenen Charakter erschaffen will oder mit Psi-Angriffen herumantieren. Um das mitgelieferte Abenteuer oder gar das „kleine“ Starterset „Finstere Segnung“ zu spielen, reicht es aber allemal... Daneben enthält das Regelheft noch ein paar Tipps für die Spielleitung und natürlich Waffen & Gegnerinfos. Das Abenteuer trägt den Titel „Flucht vom Brokk'n“ und handelt, na wer hätte es gedacht, von einer Flucht ;-) Das Raumschiff, auf dem die SpielerInnen eigentlich gerade an einem festlichen Bankett teilnehmen, wird in einen Hinterhalt gelockt: Der Asteroid, der die Form des Imperator-Kopfes hat, entpuppt sich als Ork-Basis mit einem mächtigen Traktorstrahl. Und sie sind nicht die ersten Opfer, sodass sie sich letztlich durch allerlei Plündergut (u.a. außerirdische Raumschiffe) und Horden von schwer bewaffneten Orks kämpfen müssen, eh sie fliehen können. Anschließend muss noch ein Kardinal aus den Fängen eines Chaos-Kults gerettet werden, was sich als äußerst blutige Angelegenheit entpuppt... Prinzipiell mag ich „Flucht vom Brokk'n“ als OneShot-Abenteuer ziemlich gern, aber leider verfehlt es konzeptionell seinen Zweck als Einstiegsabenteuer: Für Nicht-“Warhammer 40.000“-Fans fehlen mir ausreichend Informationen, damit sie problemlos innerhalb des Settings agieren können; außerdem ist es schon sehr auf Kämpfe fixiert und zeigt kaum andere Aspekte des Rollenspiels. Schlimmer aber: Hobby-Anfänger(spielleiter)Innen werden sich schwer tun, da ausgerechnet der spielleiterisch einfachere Teil (die Rettung des Kardinals als linearer Dungeon Crawler) am Ende kommt, während der schwerer zu leitende freie Teil (der Ork-Asteroid mit all seinen gefangenen Raumschiffen, auf dem die SpielerInnen im Prinzip machen können, worauf sie Lust haben) am Beginn steht. Außerdem ist es für einen Spielleitungsneuling nicht ganz so einfach düstere Horror-Atmosphäre zu verbreiten – Zumindest, wenn es besser sein soll, als aller fünf Minuten „Blut! Noch mehr Blut! Und Schädel!“ zu rufen :-P Andererseits sieht man schon die Bemühungen um einen leichten Zugang: Es gibt im Text immer wieder Hilfestellungen für die Spielleitung, außerdem macht der Einsatz der Acryl-Marker auf den Battlemaps das Spielerlebnis wesentlich zugänglicher... Wer schon etwas Erfahrung mitbringt, sollte hier eigentlich keinerlei Probleme haben, sich an einem Abend durch „Flucht vom Brokk'n“ durchzuleiten :-) Die Spielmaterialien, besonders die beiden doppelseitigen Bodenpläne, haben insgesamt eine gute Qualität. Lediglich die Pappbox drumherum ist schon arg dünn und anfällig :-( Außerdem hätte man da gern noch ein wenig mehr Lektorat machen dürfen, was ich bei einem Preis von 39,95 € auch erwarte... Ich weiß, mit Starterboxen machen Verlage jetzt keinen großen Gewinn, aber für nen 10er oder wenigstens 5er weniger hätte ich vermutlich eine Kaufempfehlung ausgesprochen. Andererseits, die SpielerInnen von „Warhammer 40.000“-Produkten sind hohe Preise ja gewöhnt :-P Also gibt es jetzt keine uneingeschränkte Kaufempfehlung, aber doch ein positives Fazit: Das „Wrath & Glory Starterset“ (Link) bietet neugierigen SystemumsteigerInnen einen guten ersten Eindruck davon, wie sich das neue Regelsystem spielt. Auch Neulinge, die mal vom Tabletop herüberschauen, werden hier sicherlich ihren Spaß haben, solange sie eine erfahrene Spielleitung (welche das Abenteuer gut umsetzten kann) an die Hand nimmt. Eher ungeeignet ist das Starterset dagegen für zwei entgegengesetzte Gruppen: Einerseits ist es nichts für RollenspielerInnen, die eh mit „Wrath & Glory“ liebäugeln. Denn die können auch gleich nen Zwanni drauflegen, um sich das Grundregelwerk zu kaufen. Für diese Gruppe bietet das Starterset zu dem Preis keinen Mehrwert. Und andererseits eignet es sich auch nicht für absolute AnfängerInnen, da es (besonders für die Spielleitung) trotz aller Bemühungen zu wenig Hilfestellungen bietet.