Eigentlich kann man die Handlung von „Sykes“ in einem Satz zusammenfassen: Kompromissloser Gesetzeshüter gegen brutale Räuberbande. Doch das wäre viel zu kurz gegriffen und würde dem neusten Wild-West-Comic vom „Splitter Verlag“ nicht gerecht werden. Warum das so ist, erfahrt Ihr in dieser Rezension… Marshal “Sentence“ Sykes ist auf den ersten Blick ein typischer stiller „Law & Order“-Revolverheld (inklusive traumatischer Vergangenheit), wie man ihn aus unzähligen Western mit Clint Eastwood oder John Wayne kennt. Doch er ist kein stoischer Haudrauf (beziehungsweise Schießdrauf ;-)), sondern ein belesener und reflektierender Ehrenmann. Auf seiner Jagd nach der brutalen Clayton-Bande kommt er an der Farm des kleinen Halbwaisen Jim Starret und seiner Mutter vorbei. Er warnt sie noch erfolglos, die einsame Gegend zu verlassen, da ist es auch schon zu spät… In der folgenden Nacht wird die Farm von den Claytons aufgestöbert und die Mutter brutal ermordet. Der kleine Jim kann jedoch sich in die nächste Stadt retten und bittet Sykes seine Mutter zu rächen. Zugegeben, bisher klingt diese Zusammenfassung eher nach einer klassischen Westerngeschichte. Und so ziemlich genau das erste Dreiviertel des 80 Seiten umfassenden Buches ist auch genau das: Sykes stellt ein Team zusammen, nimmt den auf Rache dürstenden Jim gleich noch mit und jagt die Claytons. Nach einigem genretypischen Hin und Her folgt dann der (vorläufige) dramatische Höhepunkt mit ziemlich hohem Bodycount. Eigentlich könnte hier die Geschichte auch schon vorbei sein. Dann wäre es eine nette kleine Rachegeschichte, nicht außergewöhnlich, aber unterhaltsam. Doch im letzten Viertel dreht der Autor Pierre Dubois nochmal richtig auf: Sykes wird alt, Jim wird erwachsen – Und plötzlich stehen sich die beiden Protagonisten auf unterschiedlichen Seiten zum Duell gegenüber… Die Handlung an sich ist, gerade durch den (sogar etwas gesellschaftskritischen) Twist des letzten Viertels, durchweg spannend und unterhaltsam. Der namensgebende Sykes ist dabei als stiller und belesener Gesetzeshüter der Sympathieträger der Handlung. Leider bleibt sein Charakter, trotz schmerzhafter Vergangenheit (die dramaturgisch für mich nicht nachvollziehbar viel zu spät eingeführt wird), ein wenig blass. Jim bekommt, obwohl sogar noch vor Sykes im Comic zu sehen, seinen großen Auftritt erst im späteren Verlauf, als er sowohl seine körperliche (von Kind zum Erwachsenen) als besonders auch seine geistig-moralische Entwicklung (vom bedingungslosen Bewunderer des Westernhelden Sykes hin zu dessen Duellgegner) durchmacht. Gerade letztere ist durchaus nachvollziehbar, krankt jedoch an dem einzigen großen Problem des Comics: Er ist zu kurz! Ja, zugegeben ein Luxusproblem, aber mit nochmal vielleicht einem oder zwei Dutzend Seiten mehr hätte man so viel tiefer in die Geschichte gehen könne. Dabei ist die Dreiviertel des Buches umfassende Rachegeschichte genau richtig lang, aber der folgende zweite Handlungsstrang wird einfach zu kurz angerissen. Umso trauriger deshalb, weil man als Leser die beiden Protagonisten so interessant findet dass man von ihnen beiden mehr erfahren will :-( Wie kam es zu Sykes traumatischen Erlebnissen? Wie verlief Jims Leben bis zum Duell? Und wenn noch ein klein wenig Platz übrig gewesen wäre, hätte man aus den Schurken auch mehr als nur Bösewicht-Abziehbilder machen können ;-) Außerdem hätte der Zeichner Dimitri Armand auf mehr Seiten noch mehr Platz gehabt, um sich auszutoben. Denn gerade die weitläufigen Landschaften sind ihm wirklich hervorragend gelungen, da kommt richtige Wild-West-Atmosphäre auf! Auch die Figuren sehen gut aus und wirken dynamisch, die Bilder sind detailreich und die Kolorierung ist durchweg passend. Wirklich gut gemacht, da gebe ich gerne ein großes Lob! Ebenfalls ein Lob bekommt der „Splitter Verlag“ (der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) für die gebotene Qualität: Satte Farben, scharfer Druck, gut lektorierte Texte – Das Alles in einem stabilen Hardcover. Der Preis von 17,80 € scheint mir vollkommen gerechtfertigt. Fazit: Ach ja, es ist halt zu kurz. Ich hätte mir mehr Seiten für tiefere Charakterzeichnung und noch mehr schöne Bilder gewünscht. Unabhängig davon jedoch ist „Sykes“ jedoch ein durchgehend spannender, sehr atmosphärischer und wirklich schön anzuschauender Comic. Der "Splitter Verlag" (Link) hat damit erneut einen tolles Werk im Programm. Wie Namensgeber Sykes vermeide ich daher zu viele Worte und sage einfach nur „Kaufempfehlung!“ :-D
Tags