Rollenspiel-Comics tun sich hierzulande etwas schwer. Zumindest bemerke ich in den einschlägigen, deutschsprachigen Comic-Foren & Facebook-Gruppen nie diese enorme Euphorie, die ich in US-amerikanischen Pendants herauslesen kann. Wobei es, mal unabhängig von der kleinen deutschen Zielgruppe, natürlich auch ziemlich schwer ist, einen guten Rollenspiel-Comic zu schreiben: Das „echte“ Pen & Paper-Feeling bekommt man eh nur, wenn man selber spielt. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum beispielsweise die (übrigens ziemlich miesen) „Pathfinder“-Comics (Link) hierzulande lediglich zwei Ausgaben zustande gebracht haben, während die Reihe in Amerika überraschend umfangreich ausfällt. Oft verlassen sich die Geschichten auf ihre Lizenz, sie wirken dann aber auf Außenstehen wie generische Fantasy, nur dass die Monster gegen typische Setting-Vertreter ausgetauscht werden. Einige Genre-Vertreter gehen da einen anderen Weg, der mir aus meinem persönlichen Erleben heraus vielversprechender erscheint: Comics, die sich dem Rollenspiel-Thema über die Meta-Ebene annähern. „Rick und Morty vs. Dungeons & Dragons“ war da in letzter Zeit wohl der erfolgreichste Vertreter, aber er war nicht der Allererste: Beispielsweise erschien, ebenfalls mit starken „Dungeons & Dragons“-Referenzen, schon seit 2009 die Webcomicstrip-Reihe „Gert & Grendil: Dwarven Roommates“ vom deutschen Künster Mario Bühling. Passend zur Veröffentlichung des zweiten Sammelbandes habe ich mir die beiden titelgebenden Zwergenabenteurer mal genauer angeschaut :-)
1. Im "Basic Story Set" (Link) werden uns die beiden trinkfesten Zwergenbrüder Gert & Grendil vorgestellt. Aus Geldmangel vermieten sie ihre Abstellkammer an die fesche Halblingsschurkin Lilly. Kaum ist diese eingezogen, wird sie beim Duschen von dem herbeiteleportierten Magier Rufus gestört, der die zwergische Klobrille als magisches Artefakt identifiziert hat. Leider kam ihm diese Erkenntnis aber nicht allein, denn der Goblinscherge eines superfiesen Oberbösewichts klaut diesen „Magischen Ring des Feuers“ und verprügelt damit dem Waldelf Fallafell. Die ProtagonistInnen schließen sich also zusammen, um Rache zu nehmen!
2. Im "Advanced Story Set" (Link) wird die Heldengruppe erst einmal von der Stadtwache einkassiert und eingekerkert. In ihrer engen Gefängniszelle hat sie mehr als genug Zeit, um sich mit ihrer mal mehr, mal weniger ruhmreichen Vergangenheit zu beschäftigen. Außerdem tüfteln sie an einem Fluchtplan – Denn die Zeit drängt, da der superfiese Oberbösewicht auch nicht untätig ist und finstere Intrigen spinnt...
„Gert & Grendil: Dwarven Roommates“ merkt man in jeder Sekunde an, dass sein Schöpfer dem „Dungeons & Dragons“-Rollenspiel sehr nahe steht. Dabei sind beide Comics auch komplett ohne Vorwissen lesbar, aber man freut sich halt schon, wenn sich die Kerkerwachen etwa mit einer Pen & Paper-Runde die Zeit vertreiben oder man mehr oder minder offensichtliche Verweise (schon angefangen bei der Covergestaltung) entdeckt. Unabhängig davon handelt es sich hier jedoch um ganz klassischen Fantasy-Comic: Die Heldengruppe muss sich aus einem eher extrinsischen Anlass zusammenfinden, um dann im Verlauf der Geschichten allerlei Widrigkeiten zu trotzen, damit sie letztlich (mutmaßlich, da der 2. Band mit einem Cliffhanger endet) die Welt retten kann. Das wird oft humorvoll und überaus solide gezeichnet präsentiert, sodass man am Ende wirklich wissen will, wie es weiter geht – Zugegeben, das hätte ich zu Beginn noch nicht gedacht. Denn Mario Brühling braucht anfangs etwas, um die richtige Balance zwischen Humor & Spannung zu finden: Ungefähr die erste Hälfte des ersten Bandes über, also während der Gruppenzusammenführung und Konfliktetablierung, war ich ob der Klischeehaftigkeit und Gag-Plattheit sehr skeptisch. Sobald es dann gegen Ende des Auftaktbandes aber richtig los geht und vor allem dann im zweiten Band, wenn man zu den Prota- & AntagonistInnen ein paar Hintergrundinfos bekommt und die Handlung richtig Fahrt aufnimmt, liest man Seite und Seite in einem Rutsch durch. Ich hatte zudem das Gefühl, dass sich Bühlings Zeichenstil im Verlauf der beiden Bände verbessert – Sodass ich ausdrücklich das „Advanced Story Set“ empfehlen kann. 64 Seiten für 12 €, das geht für einen Indie-Comic voll in Ordnung. Theoretisch benötigt man das 34 Seiten umfassende „Basic Story Set“ nicht wirklich, da die hier eingeführten Figuren zumeist so stereotyp sind, dass man als Durchschnitts-Fantasy-LeserIn eh weiß, wer da welche Charaktereigenschaften hat, aber für läppische 7,50 € kann man einen Nachwuchskünstler und einen für die deutsche Szene so wichtigen Indie-Verlag, nämlich „Edition Kwimbi“ (welcher mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zukommen lies), doch mal mit gutem Gewissen unterstützen :-) Fazit: „Gert & Grendil: Dwarven Roommates #1&2“ (Link) sind deutsche Kleinode für Comic-Fans und Fantasy-RollenspielerInnen: Humorvoll und, gerade im 2. Band, auch spannend :-)
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