„Mit Zähnen und Klauen“ ist der zweite, 220 Seiten starke Softcover-Sammelband der amerikanischen Comicausgaben 7 – 12. Begleitet wird hier wieder die aus dem ersten Band bekannte Abenteuertruppe rund um Hexenmeisterin Seoni, Elfen-Schurkin Merisiel, Krieger Valeros, Priesterin Kyra, Zwergen-Waldläufer Harsk und Magier Ezren bei ihren Abenteuern zur Rettung der kleinen Fantasy-Stadt Sandspitze. Irgendein großes Ungetüm verbreitet Angst und Schrecken, später gesellen sich noch finstere Räuber (die zu noch viel finsteren Gruppierungen gehören) hinzu sowie natürlich ein Drache und ein Oberschurke (das ist kein Spoiler, weil beide schon auf dem Cover sind :-P). Als hätte sich der Autor einfach zu einer typischen „Pathfinder“-Rollenspielrunde bestehend aus 12jährigen Fantasy-Nerds hinzugesetzt, über den Verlauf der Handlung Buch geführt (deswegen glaub ich durchaus, dass man die Geschichte mit der eigenen Abenteuergruppe gut nachspielen kann, auch wenn sie durchschaubar ist) und nebenbei eine Checkliste aus dem Index zusammengestellt… Höhle mit Monster drin? Check! Verließe und Kerker, gespickt mit Fallen? Check! Viele Lebenspunktverluste mit anschließender Heilung? Check! Goblins, ach was das muss noch Klischee-beladener sein, nehmen wir magische Skelette! Check!!!
Und wo wir gerade beim Thema 12jährige Nerds sind ;-) Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie die Redaktionskonferenz sich besprach oder meinetwegen auch der verlagseigene Marketing-Typ mit einer PowerPoint-Präsentation auftrumpfte: „Umfragen haben ergeben, dass unsere Zielgruppe aus pubertären Jungs voll auf geile Lesben mit großen Hupen abspritz… ähm abfahren.“ Naja, das Ergebnis ist also dass die zugeknöpfte Priesterin nun mit der düster-draufgängerischen Elfen-Schurkin rummacht. Aber nur im höchsten Maße politisch korrekt und keusch, denn man will ja der Verkäufe wegen nicht die behüteten Teenager aus der texanischen Provinz verstören :-P Nun habe ich persönlich nichts gegen eine gut erzählte Romanze, meinetwegen hätten auch zwei der Helden ihre schwule Seite entdecken können oder es wäre eine ganz klassische Mann-Frau-Heirat-Kind-Geschichte geworden. So aber ist dieser Handlungsaspekt nichts weiter als der durchschaubare Versuch, sich an die vermeintliche Zielgruppe anzubiedern.
Hätte man doch diese Energie stattdessen darauf genutzt, eine vernünftige Geschichte zu erzählen! Die gesamte Handlung hätte man locker in zwei, maximal drei Comicheften (also 1/3 – 1/2 des Buchumfangs) auserzählen können. Selbst dann wäre sie zwar nicht wirklich gut oder logisch, aber immerhin käme keine Langeweile auf. Achtung Spoiler: Die tiefe Verließ-Fallgrube hat natürlich einen „Notausgang“. Aber stimmt, der muss ja da sein, damit man Rattenangriffe und tödliche Fallen irgendwie „sinnvoll“ einbauen kann ;-) Fanservice, wie er nicht sein sollte… Und warum ist der Zwischengegner-Babydrache viel gefährlicher als der magisch aufgemotzte Endgegner-Drache samt Oberbösewicht-Support???
So aber müssen die Leerlauf-Momente der Handlung mit immer neuen Kampf-Bilderstrecken gefüllt werden. Die sind leider oft zu nah an den Helden, sodass die Situationen oft unübersichtlich sind und einfach der Gesamtüberblick fehlt. Dabei machen die Zeichner aber meistens einen guten Job – gerade bei den 20 (Variant-)Covern - allerdings fällt durchaus auf wenn sich (teils mitten im Kapitel) der Zeichenstil ändert. Aber gut, nur weil sich mal das Styling einer Figur ändert (Ezren wechselt öfters mal Länge und Form seines Bartes – Ich wünschte das könnte ich auch ;-)) geht jetzt nicht die Welt unter :-) Die drei Bilder in diesem Artikel sind übrigens jeweils von unterschiedlichen Künstlern gezeichnet und koloriert, mal schauen was so für Unterschiede auffallen. Ich denke gerade am Gesicht der weißhaarigen Elfe Merisiel kann man die Veränderungen deutlich erkennen.
Neben der Hauptgeschichte gibt es noch ein fortführendes Bonuskapitel namens „Nachtschwärmer“, welches eine anschließende Episode aus dem Leben des neuen Liebespaares erzählt. Die Elfen-Schurkin wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, gleichzeitig entscheidet sie sich in einer sich wiederholenden Situation diesmal anders. Am Ende siegt natürlich die Liebe… Die Geschichte ist auch wieder vorhersehbar, hat aber diesmal eine passende Länge und somit keinen Story-Leerlauf. Außerdem gibt es, im Gegensatz zu der Haupthandlung, diesmal mehr Charakterentwicklung – Und eh jetzt der Aufschrei kommt: „Ich bin jetzt lesbisch.“ und „Wir vertrauen dir als unsere Anführerin.“ und „Ich mag keine Großstädte.“ zählen jetzt nicht wirklich :-P
Außerdem gibt es noch einen sehr lesenswerten Spielleiterteil über 28 Seiten. So eine Art kleiner Quellenband für das Rollenspiel, mit neuer Ausrüstung, Orts- und Gegnerbeschreibungen. Dieser Teil wertet das Buch durchaus auf, trotzdessen empfinde ich den Preis von 24,95 € aber als Schlag ins Gesicht. Gerade wenn ich mir so angucke, was für tolle Comics ich für das Geld auch kaufen kann…
Fazit: Eine lahme, zielgruppenorientierte Geschichte – doppelt so lang wie sie eigentlich sein müsste – in ansehnlichen Bildern, ergänzt um etwas Quellenmaterial, eine Bonusgeschichte und ein paar Variantcovern. Achja, und eine exklusive Sammelkarte. Kein kritischer Fehlschlag der Comic-Kunst, aber auch keine Heldentat.