Der Verlagschef Torsten Low (Link zum hörenswerten Interview) ist in der Szene ja wohlbekannt für düstere Phantastik. Normalweise in Form von Romanen und Anthologien, doch gelegentlich kommt auch mal ein kleines, aber feines (und vor allem preisgekröntes) Comic-Heft. Beispielsweise „Auf den Spuren H.P. Lovecrafts #3“ (Link), welches damals von einem gewissen Detlef Klewer illustriert wurde, dessen Zeichenstil ich zwar eigentümlich fand, aber auch ziemlich gern mochte. Und eben jener Künstler startet nun, ebenfalls beim „Verlag Torsten Low“, eine neue Steampunk-Comicreihe. Da kann doch gar nix schiefgehen? „Golly & Moon #1 Nebel über der Oakland Bay“ ist sozusagen die gezeichnete Form eines der bekanntesten Bücher des Verlags: „Dampfmaschinen und rauchende Colts“ (Link). Das besondere an der Anthologie war damals, dass die Geschichten nicht einzeln für sich abgeschlossen wurden, sondern dass sie eher eigenständige Kapitel, geschrieben von verschiedenen AutorInnen, einer großen Rahmenhandlung waren. Ein ungewohntes Konzept, an dass sich auch mein Blogger-Kollege Würfelheld (Link) gewöhnen musste – Und ich mich beim Lesen dieses Comics ebenfalls ;-) Aber worum geht es überhaupt? Fiese russische Agenten wollen einen genialen US-Wissenschaftler nebst seiner neusten Erfindung entführen. Unabhängig voneinander bekommen Gollwitzer und Moon, zwei JournalistInnen, Wind von der Sache – Und sie müssen miterleben, wie skrupellos die Russen vorgehen... Das 56 Seiten starke Heftchen umfasst die ersten fünf Kapitel der Anthologie. Es beginnt mit der Anreise der Agenten, die unliebsame Zeugen beseitigen. Allerdings nicht alle, denn die Titelheldin Abigail Moon kann die Entführer entdecken und ihre Beobachtungen melden; woraufhin ein desolates US-Luftschiff den Kampf aufnehmen soll. Gleichzeitig ermittelt ein aufrichtiger Gesetzeshüter mitsamt seiner Spezialistentruppe gegen ein ihm suspekt vorkommendes, russisches Frachtschiff – Was ziemlich eskaliert ;-) Rein formal haben wir hier alle Zutaten eines Auftaktbandes zusammen: Der Grundkonflikt wird aufgeworfen, das Steampunk-Setting wird vorgestellt und die Prota- & Antagonisten werden ein- & zusammengeführt. Ehrlich, mehr leisten die allermeisten franko-belgischen Auftaktbände auch nicht :-P Bei „Golly & Moon #1 Nebel über der Oakland Bay“ besteht aber das Problem, dass das Anthologie-Format des literarischen Originals hier beibehalten wurde – Und auf 56 Seiten, gerade wenn viele Seiten gut in Szene gesetzte Action-Sequenzen enthalten, kann man halt nur schwierig den Tiefgang von voll ausgearbeiteten Kurzgeschichten erreichen. So werden hier vermeintliche Handlungsstränge & Figurenkonstellationen angerissen, die im Original vermutlich auf mehreren Seiten ausgewalzt wurden, aber sie bleiben kaum mehr als Zitate & Fanservice. Das ist letztlich ein wenig unbefriedigend und lenkt von der eigentlich guten Qualität des Comics ab. Ich weiß nicht, wie viele Bände die Reihe bekommen wird (da der Auftaktband aber ca. 1/3 der Anthologie enthält, wäre eine Trilogie jedoch eine naheliegende Schlussfolgerung), aber möglicherweise wäre eine Entzerrung der Geschichte (also vielleicht nur drei statt fünf Kapitel) und eine weniger werkgetreue Kapitelreihenfolge sinnvoller gewesen? Persönlich hätte ich das tolle, aber eben zu kurze Luftschiffkampf-Kapitel hier herausgenommen und stattdessen als explosiven Auftakt des 2. Bandes verwendet – Aber jetzt klugscheißere ich schon wieder rum, das war eigentlich gar nicht meine Absicht :-D Aber das ist ja auch zutiefst menschlich, dass man mehr von dem haben möchte, was man gern hat ;-) Denn ja, ich mag „Golly & Moon #1 Nebel über der Oakland Bay“ sehr gern: Schon im Auftaktband kommt richtig viel gesetzlose WildWest-Atmosphäre auf (dauernd werden Leute erschossen :-P) und Steampunk-Luftschiffe sind natürlich auch immer mega cool :-) Zudem gefällt mir der schwarz/weiß-Zeichenstil von Detlef Klewer gut, das fühlt sich schon richtig Indie an! Die „made in germany“-Druckqualität vom „Verlag Torsten Low“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) kann sich auch wieder sehen lassen, sodass der Preis von 5,80 € für das 56 Seiten starke Comic-Heft vollkommen in Ordnung geht. Ich würde mich freuen, wenn auch Nicht-KennerInnen der literarischen Vorlage einen Blick hineinwerfen würden, kann mir aber gut vorstellen, dass sie im ersten Moment zurückschrecken werden – Denn, und das ist der wohl größte Kritikpunkt an diesem Auftaktband: Das Cover lädt wirklich nicht zum Reinschnuppern ein :-( Einerseits erkennt man nicht, was diese Reihe besonders macht (Steampunk! Action!), andererseits schaut Abigail Moon so aus, als hätte sie einen Schlaganfall... (Ja, ich weiß, wie so etwas aussieht. Und ja, wenn ich versuchen würde, verwegen und wagemutig zu wirken, dann würde ich genau so schauen... Das sieht dann aber halt nicht unbedingt zum Kauf einladend aus ;-)) Fazit: Der Auftaktband „Golly & Moon #1 Nebel über der Oakland Bay“ (Link) ist ein guter Indie-Comic, der mit einem spannenden Steampunk-Spionage-Setting und einem interessanten Zeichenstil punkten kann. Für den 2. Band, auf den ich jetzt mit Vorfreude warte (damit ist die Funktion als Auftaktband schon erfüllt :-)) würde ich mir aber eine flüssigere, tiefere Erzählung und vor allem ein aufregenderes Cover wünschen.
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