Ich lobe ja immer mal wieder gerne verschiedenste Comic-Reihen aus dem „Splitter Verlag“. Meist handelt es sich dabei aber um recht sichere Nummern, bei denen sich so ziemlich alle LeserInnen dieses Blogs auf das Lob einigen können. Ausgerechnet bei „Katanga“ rund um die Kongowirren (Link) war das aber anders: Vielfach wurde mir zugetragen, dass man mein Lob nicht verstehen könne, da diese historische Politthriller-Trilogie doch übermäßig brutal sei und mit den Zeichnungen rassistische Stereotype repliziert würden. Und ich sage: Ja, da stimme ich Euch absolut zu...
Aber nichtsdestotrotz ist „Dispersion“ trotzdem der perfekte, weil absolut konsequente, und auch noch auf einer postkolonialen Meta-Ebene funktionierende Abschlussband einer sehr unbequemen Comic-Serie... Aber fangen wir mal von vorn an: Die reiche Provinz Katanga, welche von der belgischen Diamantenminengesellschaft in Form von Geld und damit Söldnern unterstützt wird, rebellierte in „Diamanten“ (Link) gegen den Rest des gerade erst unabhängig gewordenen Landes. Dieses ist noch sehr schwach und instabil, da es vor allem auch mit innenpolitischen und ethnischen Konflikten beschäftigt ist. Eigentlich sollen die UNO-Blauhelme das Chaos eindämmen, aber wie sonst auch reißen die bei Afrika-Missionen mal absolut nichts... Was den ehemaligen kolonialen Herrschern gut in den Kram passt, verfügt Katanga doch über zahlreiche Edelsteinvorkommen, welche die belgische Minengesellschaft in aller Ruhe ausbeuten will. Diese heuerte den hartgesottenen Kriegsveteran Felix Cantor an, damit er mitsamt seiner kleinen Privatarmee die katangische Unabhängigkeit bewahrt und nebenbei noch den den geflohenen Diener Charlie einfängt. Denn dieser hat die Chance seines Lebens genutzt und einen ganzen Koffer voller Diamanten mitgehen lassen... Der zweite Band „Diplomatie“ (Link) setzte nahtlos an den vorangegangen Ereignissen an und erzählt die Geschichte rund um die drei Hauptfiguren weiter: Felix muss einen Minister zusammen mit seiner Söldnerarmee ins tiefste Stammesland eskortieren. Als seinen persönlichen Fahrer mit dabei hat er den im Auftaktband geretteten Charlie. Die eigentliche Diplomantie-/Eskortmission ist nur ein willkommener Vorwand, denn eigentlich sollen die versteckten Diamanten geborgen werden. Im dritten Band laufen nun die verschiedenen Handlungsstränge zusammen: Charlie tut alles, um seine Schwester Alicia wiederzusehen. Diese wiederum muss sich damit abfinden, dass ihre reichen Gönner allesamt das Weite suchen. Felix Cantor kämpft sich derweil wie eh und je durch das vom Bürgerkrieg geplagte Land, während der Geheimagent Orsini mehrfach seinen Kopf aus der Schlinge zieht...
Das 68 Seiten dicke „Dispersion“ teilt sich in ungefähr zwei gleich große Teile auf: In der ersten Hälfte führen die eigentlichen Handlungsstränge zwar zielgerichtet zum Finale hin, primär geht es dem Autor Fabien Nury aber um eine letzte Charakterentwicklung der zahlreichen Antagonisten (denn sind wir ehrlich, in diesem schmutzigen Bürgerkrieg gibt es keine Protagonisten, denn alle machen sich irgendwie die Hände schmutzig). Wobei, Charlies Schwester Alicia könnte noch halbwegs als positive Hauptfigur durchgehen, aber bisher hatte sie einfach zu wenig Platz in der Handlung. Zum Glück ändert sich das im 3. Band, hier wird sie von einer Gespielin zu einer Intrigantin mit trauriger Vergangenheit – Manche Autoren würden mit dem Ausbau einer Nebenfigur hin zur Hauptfigur eine auserzählte Geschichte unnötig aufblasen, doch tatsächlich gelingt es Fabien Nury hiermit quasi nebenbei, die bisher eher als verschlagen und unsympathisch charakterisierte Hauptfigur Charlie in einem vollkommen anderen Licht erscheinen zu lassen. Nicht, dass er jetzt eine positive Identifikationsfigur wäre, aber plötzlich kann man sein Verhalten doch nachvollziehen. Das ist dann auch nochmal das erzählerische Highlight in einer erzählerisch ohnehin sehr starken Reihe!
In der zweiten Hälfte kommt es dann zum dramatischen Finale, in der alle Figuren aufeinander treffen. Sie befinden sich in der gleichen Stadt, vereint in ihrem Bestreben nach den Diamanten und dem Willen, ihre eigene Haut zu retten. Logisch, dass da aus anfänglichen Intrigen ein brutaler Kampf um Leben und Tod wird. Nun kann man diese finalen Szenen einfach so als actionreichen Abschluss einer an brutaler Gewalt nicht armen Reihe lesen – Man kann darin aber auch eine Metapher auf den Post-Kolonialismus der Europäer sehen. Denn, Achtung Spoiler, letztendlich bleiben die AfrikanerInnen und die wenigen Weißen mit moralischem Kompass oder Idealen auf der Strecke, während sich die ehemaligen Herrscher abgesetzt haben und die Opportunisten den Gewinn einstreichen... Mag sein, dass das ein wenig plakativ ist, aber es ist das ebenso traurige wie perfekte Ende einer der umstrittensten, aber eben auch wichtigsten Comic-Reihen des letzten Jahres!
Zur grafischen Präsentation muss ich jetzt nicht viel sagen, die ist wie immer, genauso wie die tolle Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte). Für das 68 Seiten dicke Hardcover werden glatte 17 € verlangt.
Fazit: „Katanga #3 Dispersion“ (Link) ist der ebenso traurige wie perfekte Abschlussband einer der umstrittensten, aber auch wichtigsten Comic-Reihen des letzten Jahres!