Ich bin ja bekanntermaßen ein Freund des Steampunk-Genres und kann mich daher auch immer mal wieder für klassische Abenteuergeschichten im Geiste Jules Vernes begeistern. Also die allerbesten Voraussetzen dafür, dass ich die vierteilige Comic-Reihe „Die Neptune“ aus dem kleinen Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ abfeiern werde... Aber werde ich das auch wirklich tun? Die vierteilige Reihe besteht aus zwei Zyklen, welche jeweils zwei Bände umfassen. Sie thematisieren die Abenteuer der Besatzung des U-Boot-Prototyps „Neptune“, welche bei einer fehlgeschlagenen Expedition den halben Erdball umrundet...
1. Der Erfinder William Lage ist Besessen von einem Traum (Link). Er will sein revolutionäres U-Boot „Neptune“ an die Regierung verkaufen, doch die setzt ihn immer wieder unsanft vor die Tür. Notgedrungen verkauft er den Prototyp daher an den reichen Abenteurer Stundent, jedoch nur unter der Bedingung, dass er selbst an einer geplanten Unterwasserexpedition teilnehmen darf... Zeitgleich planen finanzkräftige Industrielle eine gezinkte Regatta, um sich am Verkauf neuer Schiffstypen zu bereichern.
2. Nachdem die „Neptune“ nur mit knapper Not einem Piratenangriff entgangen ist, befindet sich die im wahrsten Sinne des Wortes untergetauchte Besatzung in einer kniffligen Lage: Das U-Boot ist zu stark beschädigt, um wieder aufzutauchen, und langsam werden die Vorräte knapp. Also dringt man weiter in Verborgene Welten (Link) vor, um sich gleich mal von kannibalischen Amazonen gefangen nehmen zu lassen. Und die haben großen Hunger...
3. Irgendwann wird die „Neptune“ dann doch an die Oberfläche zurückgespült. Dummerweise genau in die Arme des mexikanischen Militärs, welches den amerikanischen Feind mit ein paar Kanonenkugeln begrüßt. Dabei wird das U-Boot so schwer beschädigt, dass es in einem verschlafen Hafenstädtchen repariert werden muss. Doch wie es das Klischee so will, leben dort nur korrupte Halunken... Als wäre das nicht schon genug Ärger, muss sich die Besatzung in dritten Band Iceberg (Link) auch noch mit einem blutrünstigen Walfänger und geflohenen US-Schwerverbrechern rumschlagen.
4. Mittlerweile sind die „Neptune“ und ihre Besatzung in die Fänge eines verrückten Erfinders geraten, der im antarktischen Eis an elektrischer Hochtechnologie forscht. Mittels einem Piratenluftschiff sichert er sich dafür den Lebensunterhalt – Doch damit weckt er das Interesse der US Navy, die ein Kriegsschiff zur Nachforschung entsendet. Es kommt zu einem dramatischen Showdown im Südpazifik (Link), bei dem William und seine Männer zwischen die Fronten geraten...
„Die Neptune“ fühlt sich alt an. Richtig alt! Aber eben auch nostalgisch alt! Hier erleben heldenhafte Männer – und zwar nur Männer, denn die einzige weibliche Nebenfigur bleibt nach einem kurzen Quickie brav daheim – noch richtige Abenteuer, welche in sehr klassisch wirkenden, ja teils fast schon altbackenen Zeichnungen präsentiert werden. Wer meine anderen (Comic-)Rezensionen kennt, der weiß, dass ich bei solchen Stichworten eher kritisch bin. Aber, und das ist eine positive Überraschung, diese vierteilige Reihe macht wirklich Spaß! Und ich kann gar nicht so recht fassen, woran das eigentlich liegt: Denn eigentlich wiederholen sich die Geschichten immer wieder (U-Boot geht kaputt, dann bekommt die Besatzung tödliche Probleme mit der lokalen Bevölkerung – Es wird nur der Handlungsort ausgetauscht), der B-Plot über die gezinkte Regatta verläuft im Sande und die Prota- und Antagonisten sind durchweg platte Statisten, die jeweils über so ziemlich genau eine einzige Charaktereigenschaft verfügen. Und dann ist da noch ein katastrophales Ende (welche vier Jahre später geschrieben/gezeichnet wurden, offensichtlich als der Autor & Zeichner Jean-Yves Delitte merkte, dass er keinen Bock mehr auf die Reihe hat?), das nach dem eigentlich gelungenen Zyklus-Finale noch einmal vier Seiten dranpappt, um die Reihe zu Beerdigen... Und trotz dieser objektiven Kritikpunkte macht „Die Neptune“ subjektiv einfach richtig Bock :-D Denn immer dann, wenn die Handlung erneut eine Schippe abstruser Phantastik drauflegt, entwickelt sich ein echter Lesesog. Das bedeutet aber auch, dass die Qualität der einzelnen Bände etwas schwankt: Der komplette erste Band und die erste Hälfte des dritten Bandes (Reparatur in Mexiko) sind jeweils kaum mehr als ausufernde Prologe, um irgendwie zu erklären, warum die U-Boot-Besatzung schon wieder in irgendeine abstruse Gefahrensituation hineingerät. Dafür entschädigen dann die eigentlichen Abenteuergeschichten, also der Kampf gegen die unterirdischen Menschenfresserinnen im 2. Band, die Flucht vor dem verrückten Walfänger im 3. Band und ganz besonders die Steampunk-Schlacht (inkl. Laserstrahlkanonen und Flugdrachen) im 4. Band doppelt und dreifach :-) Höhen und Tiefen gibt es aber nicht nur bei der Handlung, sondern auch bei den Zeichnungen: Die Hintergründe, die Actionszenen und generell das Setting-Design wissen gut zu gefallen, dem gegenüber sind viele Figuren und die Kolorierung eher schwach. Stark dagegen ist erneut die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten), die für die ersten drei, je 48 Seiten umfassenden Hardcover-Bände glatte 13 € verlangen. Der Abschlussband umfasst 52 Seiten und kostet 15 €. Fazit: Die vierteilige Comic-Reihe „Die Neptune“ (Link) bietet ganz und gar klassische Abenteuergeschichten, auf die Jules Verne stolz wäre!
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