Im 4. Zyklus des mittlerweile 12 Bände umfassenden Cyberpunk-Epos (den ich aus logistischen Gründen vor dem 3. Zyklus rezensiert habe (Link)) wollte die Protagonistin Carmen Mc Callum ihren Job als sexy Supersöldnerin an den Nagel hängen. Warum sie auf diese Idee kam, wird in den drei Bänden des 3. Zyklus erklärt. Kleiner Klischee-Spoiler vorneweg: Es geht natürlich um die Liebe... Aber keine Sorge, wir sind hier immer noch bei der wohl besten Comic-Serie des kleinen Augsburger Verlags „Bunte Dimensionen“. Daher, Carmens Beziehungs zum Söldnerkollegen Russel ist zwar diesmal die Triebfeder ihrer Abenteuer, nichtsdestotrotz geht es aber primär um knallige Cyberpunk-Intrigen mit einer ungewöhnlich großen Portion SciFi-Action :-)
6. Die Supersöldnerin Carmen Mc Callum und der nicht ganz so supergute, aber doch auch recht kompetente Söldner Russel sind seit einem halben Jahr ein Paar. Für beide ist es die Liebe ihres Lebens, sodass die Reihe hier mit einem zuckersüßen Happyend abgeschlossen werden könnte. Tut sie aber nicht :-P Denn während Russels Fischerboot und damit vermeintlich auch Russel von einem U-Boot versenkt wird, greifen explosive Kampfdrohnen das Liebesnest der beiden Turteltäubchen an. Knapp kann sich Carmen retten, um dann nach ihrem verschollenen Liebsten zu suchen. Der will jedoch gar nicht gefunden werden, muss er doch den genialen Genetikprofessor Raj Kapoor entführen, welcher als Der sechste Finger des Punjab (Link) zu Weltruhm gelangte.
7. Professor Kapoor hat im Zyklus-Mittelteil Appel aus Baikonur (Link) eine Mission: Die Befreiung der unterdrückten Genmutanten und die Etablierung einer eigenen Mutantennation im weit entfernten, aber wirtschaftlich prosperierenden Asteroidengürtel. Doch zwei Dinge stehen ihm im Weg: Erstens die Großkonzerne, die ihre renditeträchtigen Weltraumkolonien bedroht sehen. Und zweitens der Mutantentyrann Leonid Majakowski, der im tiefsten Sibirien immer neue genetisch veränderte Wesen produziert, die er unterdrückt und ausbeutet. Carmen soll ihn eliminieren, doch sie lehnt den Auftrag ab. Also muss ihr Exfreund Russel den Auftrag ausführen – Doch der ist bei weitem nicht so gut wie die Supersöldnerin, sodass diese hinter ihm herreist, um ihn zu beschützen. Dabei gerät sie in Majakowskis Falle...
8. Es herrscht Krieg im Weltraum: Immer mehr separatistische Mutantengruppen kämpfen um die Etablierung einer eigenen Mutantennation im ressourcenreichen Asteroidengürtel. Den Großkonzernen gefällt das gar nicht, sodass es überall im All zu blutigen Kämpfen und gnadenlosen Belagerungen kommt. Mittendrin sind die völlig überforderten Weltraumstreitkräfte der Vereinten Nationen, die mehr schlecht als recht vermitteln. Eine diplomatische Mission von Professor Kapoor soll die Wende bringen, doch das ist gefährlich: Konzerngesteuerte Attentäter planen einen verheerenden Anschlag auf die von Carmen und Russel begleitete Delegation. Die Kirkwoodlücke (Link) wird zum Ort, an dem sich die Zukunft der Mutantennation entscheidet!
Der 3. Zyklus beweist mal wieder eindrucksvoll, warum die „Carmen Mc Callum“-Serie, mehr noch als die ebenso hervorragende Schwesterreihe „Travis“, zu den Glanzstücken im Portfolio von „Bunte Dimensionen“ gehört: Knallharte Cyberpunk-Action mischt sich hier mit einer dem Genre entsprechend dystopischen, sozialkritischen Zukunftsvision. Klar, es gibt auch wieder die typischen Schwächen, beispielsweise sind die handelnden Figuren allesamt eher holzschnittartig charakterisiert (so richtig nehme ich den beiden Turteltauben ihre große Liebe nicht ab, die Konzerntypen sind generell eher Karikaturen und die Nebenfiguren – von denen Carmen dafür, dass sie ja eigentlich im Untergrund lebte, eine ganze Menge kennt – bleiben handlungsrelevante StatistInnen) und Carmen ist wie immer massiv overpowerd. Aber das stört so gut wie gar nicht, weil die sich erst langsam entwickelnde Geschichte rund um den Befreiungskampf genetisch veränderter und geknechteter Mutanten einfach mitreißend inszeniert ist. Dabei unterscheiden sich die drei einzelnen Bände erfrischend stark voneinander: „Der sechste Finger des Punjab“ erzählt einen klassischen Cyberpunk-Heist, bei dem alle Fans des „Shadowrun“-Rollenspiels (Link) vor Freude aufjauchzen. Wenn zwei Extraktionsteams unabhängig voneinander versuchen, Professor Kapoor zu entführen, und sie sich dabei unbewusst immer wieder in die Quere kommen, dann ist das einfach unglaublich spaßig anzuschauen :-D Der Mittelteil „Appell aus Baikonur“ fällt dagegen ab, da er eben genau die Dinge macht, die ein Mittelteil halt so macht (Geschehnisse des Vorgängers erklären und den Ausgangssituation für das große Finale etablieren). Mit dem Handlungsort des fast schon post-apokalyptischen, mindestens aber post-sowjetischen Sibiriens schafft er aber eine in dieser Reihe bisher unbekannte Szenerie, welche gerade auch durch ihre genetisch veränderten BewohnerInnen fasziniert. Nach diesem kleinen Spannungstief folgt mit „Die Kirkwoodlücke“ dann der vermutliche beste Einzelband der gesamten Serie! Diplomatische Intrigen, die Tragik der wiederaufgeflammten Liebesgeschichte und nicht zuletzt wirklich epische SciFi-Action begeistern durchweg. Ein sehr würdiger Abschluss für diesen 3. Zyklus! Zeichnerisch wird wieder gewohnte Kost geboten, die man wohl zweifelsohne als Geschmackssache bezeichnen kann – Entweder man mag es, oder man mag es halt nicht ;-) Ich hatte gelegentlich so ein kleines Retro-Feeling, was bei genauerem Nachdenken eigentlich sogar perfekt passend ist, da das Genre des Cyberpunks seinen Höhepunkt ja auch schon vor einigen Jahrzehnten hatte. Ich bilde mir aber ein, dass zumindest die Kolorierung im Verlauf der Reihe etwas moderner wurde. Präsentiert werden die Zeichnungen in gewohnter Weise als 48- bis 56-seitige Hardcover, für welche „Bunte Dimensionen“ (welche mir teils Rezensionsmuster zur Verfügung stellten) zwischen 14 und 16 € möchte. Fazit: Bekanntermaßen bin ich ja nicht so wirklich ein Fan von erzwungen wirkenden Liebesgeschichten, sodass ich letztlich doch skeptisch war, wie sich diese Frühlingsgefühle auf die eiskalte Supersöldnerin Carmen auswirken würden. Und ich muss sagen, der Autor Fred Duval hat in gewohnter Art und Weise abgeliefert: Sie hat jetzt halt eine neue Handlungsmotivation, agiert ansonsten aber noch immer so professionell und tödlich wie bisher – Und das muss sie auch, immerhin geht es in diesem 3. Zyklus (Link) nicht nur um die üblichen Großkonzerne, sondern (gerade im hervorragenden 8. Band) um die politische Emanzipation genetischer Minderheiten. Und so bin ich wieder einmal sehr begeistert und kann für diese Cyberpunk-Reihe nach wie vor meine absolute Kaufempfehlung abgeben!
Tags