Die von den Autoren Gess und Duval erschaffene Anti-Heldin Carmen Mc Callum ist eigentlich nur eine Elite-Söldnerin, sie muss sich jedoch in einer ebenso nahen wie dystopischen Zukunft mit all den Problemen rumschlagen, deren Ursprünge wir in der Vergangenheit oder genau jetzt, in unserer Gegenwart, verursacht haben. Die mittlerweile 12 Bände umfassende Cyberpunk-Reihe, welche sich gelegentlich mit der im gleichen Universum spielenden, ebenfalls aktuell 12 Bände umfassenden SciFi-Reihe „Travis“ (Link) überschneidet, gehörte bisher zu den besten Serien des kleinen Augsburger Verlags „Bunte Dimensionen“. Nachdem Carmen ihren Job nun aber an den Nagel hängen wollte, war ich schon gespannt, ob dieser 4. Zyklus ein Abgesang sein würde?
9. Wie in der Einleitung schon geschrieben gab es am Ende des vorherigen Zyklus einige Änderungen. Die mit einem neuen Gesicht ausgestattete Carmen ist verbittert, da ihre große Liebe bei einem von Großindustriellen in Auftrag gegebenen, separatistischen Anschlag ums Leben kam. Sie will eine Vendetta (Link) und danach ihr altes Leben als Söldnerin an den Nagel hängen. Doch so leicht kommt sie nicht aus ihrem alten Business heraus, denn eine alte Weggefährtin zwingt sie zu einem letzten Auftrag...
10. Carmen ist der Erfüllung ihres Auftrags (Datenklau aus einer schwer gesicherten, korsischen Hightech-Villa) ganz nah. Eigentlich muss sie nur noch auf die Ankunft ihrer Komplizen warten, denn die Söldner, die ihrerseits auf der Jagd nach ihr waren, hat sie bereits ausgeschaltet und verhört. Doch dann macht sich der Klimawandel bemerkbar und ein nie dagewesener Sturm jagt über die Insel. Einerseits ist das für Carmen gut, kann sie sich doch unter einige Dorfbewohner mischen, die in der Villa Zuflucht finden. Andererseits ist der Sturm so heftig, dass er für sie gefährlicher wird als die schwer bewaffneten Wachleute. Und zu allem Übel ist sie gar nicht ganz bei der Sache, glaubt sie doch plötzlich eine Mazzeri (Link) zu sein...
11. Gerade hat sie den korsischen Sturm überlebt, da zieht schon wieder den Ärger auf der nächsten Insel an ;-) Denn im 11. Band Nouméa-Tchamba (Link) ist Carmen eigentlich nach Neukaledonien gereist, um bei den Stammesältesten Erleuchtung zu finden und ihrem Freund Scott Brennan beim Umweltschutz zu helfen. Doch dann gerät sie in eine Falle der machthungrigen künstlichen Intelligenz Dommy (LeserInnen der Parallelreihe „Travis“ bestens bekannt :-)), welche sie zu einem gefährlichen Unterwassereinsatz gegen einen skrupellosen Großkonzern zwingt.
12. Noch immer ist die machthungrige künstliche Intelligenz Dommy mit Carmens Gehirn verbunden, sodass die Elite-Söldnerin sich ihren Anweisungen fügen muss. Auf der Suche nach einem Mentor aus ihrer Vergangenheit verschlägt es die beiden ins, durch Dommys vor drei Jahren stattgefundenen Giftanschlag, nun zerstörte Jerusalem. Unter falscher Identität nimmt Carmen an einer UN-Mission zur Bekämpfung wild gewordener Drohnen teil, der jedoch in einem totalen Desaster endet. Doch das ist nur eine Ablenkung, denn Dommy hat ganz andere Pläne: Ihr Ziel ist es, Das Wasser der Golanhöhen (Link) zu vergiften!
Auch der vierte, übrigens noch nicht abgeschlossene, Zyklus der dystopischen Cyberpunk-Reihe „Carmen Mc Callum“ bietet seinen Fans wieder all die Dinge, die sie lieben: Fiese Großkonzerne, die mittlerweile so mächtig wie Staaten sind und ihre Interessen skrupellos durchsetzen. Außer Kontrolle geratenes Hightech, das aber noch realistisch genug ist, dass es in 20, 30 Jahren wirklich so weit entwickelt sein könnte. Fiese Verbrecher, die sich alle gegenseitig verraten. Und natürlich eine sexy Titelheldin, die jeden Auftrag zielstrebig ausführt. Dabei hat sich Carmen im Rahmen der Reihe mittlerweile soweit entwickelt, dass man fast von einer echten Heldin und nicht bloß despektierlich von einer Anti-Heldin reden kann. Denn, spätestens nachdem sie dem Töten entsagen wollte, hat sie einen recht stabilen moralischen Kompass. Leider wird sie immer wieder von alten Bekannten zu moralisch fragwürdigen Aufträgen gezwungen, die sie dann aber doch wieder professionell ausführt. Dabei – und das ist eine der wenigen Schwächen der Reihe – kämpft sie fast durchgehend auf einem Niveau, das so hoch und unglaubwürdig ist, dass es jeweils schon ein zigfaches an besser ausgerüsteten Gegnern braucht, um überhaupt etwas Spannung aufkeimen zu lassen... Also nicht, dass sie Geschichten nicht spannend wären, ganz im Gegenteil – Aber die furiose Inszenierung täuscht halt selten darüber hinweg, dass Carmen schon overpowerd ist. Hier erinnert Carmen fast an eine Cyberpunk-Variante von John Wick, nur dass Carmen ganz ohne Zweifel gewinnen würde ;-) Aber genug gemeckert, denn ansonsten kann ich hier nur voll des Lobes sein: Die Geschichte ist wieder mal (weltum-)spannend und voller hinterhältiger Intrigen. Das Figurenensemble hat sich im vierten Zyklus gut eingespielt, wobei der Fokus aber ganz klar auf der Protagonistin liegt und eigentlich jede andere Person – egal ob Freund oder Feind – kaum mehr als ein besserer Statist ist. Aber das stört kaum, sind Carmens wechselnde Handlungsmotivationen diesmal doch durchaus nachvollziehbar, sodass man ihr gern bei ihrer Arbeit zuschaut :-) Die Präsentation ist auf gewohntem Niveau, wobei ich mich persönlich nicht ganz so mit ihrem neuen Gesicht anfreunden konnten – Ich hatte das Gefühl, als hätte sie einfach ordentlich Botox bekommen :-P Was mir dagegen sehr gut gefallen hat, war der Koloristenwechsel im 12. Band. Die entsättigten Farben brachten die Trostlosigkeit des Szenarios hervorragend zur Geltung! Gelungen ist auch wieder die Druckqualität der 48 Seiten umfassenden Hardcover-Bände, welche von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsexemplare zur Verfügung stellten) mit fairen 14 € bepreist wurden. Fazit: Der vierte Zyklus von „Carmen Mc Callum“ (Link), auch wenn er noch nicht abgeschlossen wurde, ist für mich bisher das Highlight des gesamten Reihe! Ich finde gut, dass Carmen ihr berufliches Ende noch ein wenig verschieben muss ;-)
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