Die „Der nerdige Trashtalk mit Herbert & Philipp“-Episode (Link), auf die ich von Schreibenden besonders häufig angesprochen werde, ist die Folge 8 über Spielbücher (Link). Der Aufhänger ist dann stets mein Interview mit Jörg Benne, den ich geradewegs mit der (in der Literaturszene offensichtlich skandalösen) Einstiegsfrage konfrontiere, warum seine Romane nie so gut wie sein Spielbuch „Verax“ (Link) sind :-P Vielleicht hat ihn das aber auch nochmal richtig angespornt, denn direkt nach dem Erscheinen seines neusten Fantasy-Epos „Königsfeuer“ schickte er mir ein Rezensionsexemplar, damit ich wieder dran rumkritisieren kann ;-)
Wie schon bei „Die Stunde der Helden“ und „Dämonengrab“ lässt Benne seine Geschichte erneut in der von ihm selbst entworfenen Low Fantasy-Welt Nuareth spielen. Allerdings, und das ist wohl – neben der Tatsache, dass er es jetzt ohne einen etablierten Szene-Verlag im Rücken (Link) versucht – der größte Unterschied: Diesmal begleitet man keine Heldengruppe bei der Rettung der Welt!!! Ja, das ist tatsächlich drei Ausrufezeichen am Satzende wert ;-) Nicht, dass ich die Einleitung jetzt despektierlich gemeint hätte, aber seine letzten Romane standen doch in dem Ruf, wie nacherzählte P&P-Rollenspielabenteuer zu wirken... Diesmal geht es also nicht ums Monsterschnetzeln, sondern um die große Politik und heimtückische Intrigen: Das Königreich Meshacia befindet sich mit seinen Nachbarländern im Krieg, nachdem König Tjemen einen moralisch sicherlich fragwürdigen, realpolitisch aber nachvollziehbaren Eroberungsfeldzug gestartet hat. An der magisch beschützten Grenzstadt Helgarad beißen sich seine Truppen jedoch die Zähne aus, sodass Tjemen den Einsatz von Königsfeuer (Fantasy-Napalm) befielt. Damit wird dann zwar tatsächlich Helgarad in Brand gesetzt, doch bei einem folgenden Ausfallangriff entzünden sich die Restbestände, wodurch die Belagerer selbst abfackeln. Unter den Brandopfern ist auch der Oberst Larmik, der als Invalide zurück an den königlichen Hof geordert wird... Dort braucht Kelbren, der Hauptmann der Palastgarde, gerade jede helfende Hand: Prinz Tilmon will Hiska, die ebenso schöne wie reiche Erbin des Menori-Handelshauses, in einem rauschenden Fest heiraten. Dafür fehlt jedoch nicht nur dem ausgehungerten Volk das Verständnis, auch eingeladene Würdenträger sind mit dem König verfeindet. Außerdem taucht bei der Hochzeit plötzlich ein junger Dieb namens Ferron auf, von dem Hiska behauptet, er wäre ihr verstoßener Halbbruder...
Und wie es sich für einen echten Intrigen-Roman gehört, hat sich auch eine Attentäterin namens Sanrin unter die Gäste gemischt ;-) Nachdem die vier ProtagonistInnen (Oberst Larmik, Hauptmann Kelbren, Halbbruder Ferron, Attentäterin Sanrin) in mehreren Kapiteln ausführlich genug eingeführt wurden, damit man ihre späteren Handlungen und die zugrundeliegenden Motivationen versteht, führt der Autor sie kurz vor den Beginn der roten... ähm royalen Hochzeit zusammen. Wobei sie nie auf derselben Seite stehen, eher ganz im Gegenteil. Aber immer wieder kreuzen sich ihre Wege, ohne dass sie Anfangs von den Zielen der anderen Figuren wissen. Und um ehrlich zu sein, manchmal wissen sie selbst noch nicht ganz, was eigentlich ihre Ziele sind – Denn am königlichen Hofe sind sie allesamt selbst nur Spielfiguren eines heimtückischen Intrigenspiels von verschiedensten Interessengruppen. Und so kann es durchaus vorkommen, dass sie auch immer mal wieder die Seiten wechseln und plötzlich aus vermeintlichen Verbündeten Feinde werden oder umgekehrt... Und genau diese Unvorhersehbarkeit macht „Königsfeuer“ zu einem spannenden Leseerlebnis! Anfangs scheint der Verlauf der Handlung (auch wegen der eher stereotypen ProtagonistInnen) relativ klar, doch immer wieder baut Benne dramatische, oft nicht vorhersehbare Plot-Twists ein, welche die Geschichte in eine ganz andere Richtung bewegen und die LeserInnen positiv überraschen. Dabei scheut er sich auch nicht, liebgewonnene Figuren zu opfern – Doch opfert er sie nie des Schockeffekts wegen, sondern im Rahmen einer nachvollziehbaren Handlung. Dadurch bleibt die Spannung auf nahezu durchweg hohem Niveau: Von den 22 Kapiteln auf 413 Seiten waren vielleicht zwei oder drei nicht mindestens gut, viele waren sogar hervorragend. Hier merkt man einfach, dass Jörg Benne mittlerweile ein sehr routinierter Autor mit viel Schreiberfahrung ist, der die einzelnen Szenen genau so ausführlich beschreibt, wie es die Spannung und die Atmosphäre verlangen.
Fazit: Er hat es geschafft: 86 %! Endlich ist Jörg Benne nicht mehr nur ein sehr guter Spielbuchautor, sondern auch ein sehr guter Romanautor :-D „Königsfeuer“ (Link) ist ein toller Low Fantasy-Mix, der mit seiner atmosphärischen Dichte, seinem spannenden Intrigenspiel und seiner erzählerischen Konsequenz an eine der frühen „Game of Thrones“-Folgen erinnert. Nur halt mit weniger Drachen und mehr Fantasy-Napalm ;-)