Übernatürliche oder alternativhistorische Comic-Reihen, idealerweise mit ein paar okkulten Nazis oben drauf, haben irgendwie immer Konjunktur (ganz prominent hier natürlich die „Hellboy“-Serie, die aktuell eher mittelgut verfilmt (Link) wurde). Wenn diese Comics dann auch noch aus französischer Feder stammen, dass kann man fast schon drauf wetten, dass der kleine Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ die deutsche Übersetzung auf den Markt bringt :-) So auch bei der Tetralogie „Das Erbe des Teufels“, die an eine zeichnerisch gelungene Mischung aus der „Indiana Jones“-Filmreihe und dem „Illuminati“-Verschwörungsroman erinnert.
1. Das kleine Dörfchen Rennes-le-Château (Link) ist ein beliebter Handlungsort verschiedenster Verschwörungstheorien, soll der Abbé Saunière bei Renovierungsarbeiten doch entweder den Heiligen Gral oder wenigstens irgendein glaubenserschütterndes Pergament gefunden habe. Doch dafür interessiert sich der mittellose Künstler Constant im Jahr 1938 keineswegs, trauert er doch stattdessen seit vier Jahrem schwerst verliebt seinem One-Night-Stand Juliette hinterher. Als er die von seinem Freund und Mäzen Maurice eigentlich teuer verkauften Juliette-Portraits zurückholen will, entdeckt er seine große Liebe wieder: Auf einer billigen Kopie des berühmten Gemäldes „Les Bergers d'Arcadie“ (Link)! Das ist der Auftakt für eine mörderische Schnitzeljagd durch halb Europa, dessen verschwörerische Ausmaße sich weder Constant noch Maurice bewusst sind. Gejagt werden sie alsbald von der mit den Nazis sympathisierenden Operndiva Emma Calvé, welche dem überforderten Duo die attraktive Diebin Diane auf den Hals hetzt...
2. Im zweiten Band sind die Fronten vorerst geklärt: Constant und Diane haben sich zusammen gerauft, um Das Geheimnis von Mont-Saint-Michel (Link) zu ergründen. Doch Maurice vertraut dem neuen Bündnis nicht, besonders als sich Diane nun auch an ihn heranmacht. Die okkulten Nazi-Schergen rund um die Operndiva Emma Calvé sind derweil schon ein ganzes Stück weiter, nachdem sie den vermeintlichen Eingang zur Hölle gefunden haben und sie sich nun in die Lage versetzen wollen, den Teufel höchstselbst für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Zudem taucht eine neue Geheimgesellschaft auf, welche scheinbar sowohl Constant als auch die Nazis bekämpft.
3. Im dritten Band Rex Mundi (Link) steuert die Tetralogie langsam auf ihre Zielgerade: Nach einer furiosen Auftaktszene (inklusive explodierendem Luftschiff) verlagert sich die Konfrontation zwischen Constant und Diane auf der einen Seite und Emmas okkulten Nazi-Schergen auf der anderen Seite nach Schottland. Hier versuchen beide Seiten nun endlich herauszufinden, was es mit der scheinbar unsterblichen Juliette auf sich hat und wie/ob man den Teufel wirklich knechten kann. Dabei kommen sie auch immer wieder einer kirchlichen Geheimgesellschaft in die Quere, die ihre ganz eigenen Pläne verfolgt.
4. Emma Calvé sieht sich kurz vorm Ziel: Sie hat, mit der nicht ganz uneigennützigen Hilfe der kirchlichen Geheimgesellschaft, den wahren Ort gefunden, an dem sie den Teufel beschwören und knechten kann. Mit einer Verzweiflungstat versuchen Constant und Diane, die drohende Apokalypse (Link) abzuwenden – Nur um dann schmerzvoll zu erfahren, dass sie sich die ganze Zeit geirrt haben...„Das Erbe des Teufels“ ist eine überaus ambitionierte Comic-Reihe, welche alle möglichen französischen und kirchlichen Verschwörungstheorien miteinander verknüpft. Dabei belässt es der Autor Jérôme Félix aber nicht dabei, die fehlenden Puzzleteile der „echten“ Geschichte mit seiner Phantasie zu füllen, sondern er biegt sich auch einige historische Tatsachen zurecht – Das sei ihm verziehen ;-) Denn am Ende kommt eine interessante Schnitzeljagd mit drei gegeneinander agierenden Partien heraus, deren verschiedene Vorgehensweisen und narrative Verflechtungen man erst gegen Ende hin wirklich durchschaut. Und so ist „Das Erbe des Teufels“ dann auch die erste mir bekannte Verschwörungsserie überhaupt, deren Lesegenuss sich mit jedem Band konstant steigert – Was, um ehrlich zu sein, aber jetzt auch keine große Kunst ist :-P Denn gerade der erste Band ist bestenfalls mittelmäßig unterhaltsam, was primär an den ziemlich schwachen Prota- und AntagonistInnen liegt: Constant ist in nicht nachvollziehbarer Weise von seinem One-Night-Stand besessen und verhält sich in den ersten Bänden einfach nur dumm. Also nicht im Sinne von mangelnder Intelligenz, sondern im Sinne von nicht nachvollziehbaren Verhaltensmustern. Beispielsweise „Hey, ich bin pleite und habe gerade von meinem Mäzen eine viertel Million Franc erhalten – Die gebe ich gleich mal komplett für eine schlechte Kopie eines Gemäldes aus, weil die Figur darauf meinem One-Night-Stand ähnelt. Nicht, dass ich einfach woanders nur 30 Franc bezahlen könnte, oder mir einfach das Originalgemälde im Museum anschaue...“ oder „Hey, ich verstecke mich gerade vor schwer bewaffneten Nazi-Soldaten, aber wenn Diane über meinen One-Night-Stand schlecht redet, dann schreie ich so laut rum, dass es auch jeder mitbekommt...“ – Ich denke die geneigten LeserInnen verstehen, worauf ich hinaus will ;-) Die akrobatische Diebin Diane hat mich mit ihrem Verhalten, ihrer Hintergrundgeschichte und auch ihren Fähigkeiten immer ein wenig an Catwoman (besonders diejenige aus der TV-Serie "Gotham") erinnert, deren Charakterisierung mit der Holzhammermethode vorgenommen wurde. Beispiel gefällig? Diane: „Hey, ich wurde als Kind vergewaltigt, darum kümmere ich mich nur um mich selbst und setze Sex als Waffe ein. Also mach ich mich jetzt erstmal nackig!“ Constant: „Nee, muss nicht, ich liebe ja immer noch meinen One-Night-Stand, kein Bedarf an Sex!“ Diane: „Du willst nicht mit mir schlafen, das ist ja unglaublich, das heilt meine seelischen Wunden und ich bin plötzlich arg verliebt in dich, darum pfeife ich jetzt auf meine Millionenbezahlung und helfe dir.“ - Na, wer hat jetzt, genauso wie ich, mit den Augen gerollt? :-P Bleibt auf der Antagonistenseite noch die ebenso verführerische wie austauschbare Operndiva Emma Calvé, welche einfach nur eine böse Femme Fatale ist. Aber wie gesagt, nach einem schwachen Start steigert sich die Reihe von Band zu Band merklich :-) Das liegt auch an den immer besser werdenden, detailreichen Zeichnungen von Paul Gastine, vor allem aber daran, dass sich die verschiedenen Handlungsstränge immer weiter miteinander verweben und letztlich einem überraschenden, wirklich genialen und auf der Meta-Ebene intelligenten Plot-Twist aufbieten. Und dann ist man zufrieden und denkt sich so „Puhhh, da hat es sich jetzt doch gelohnt, sich mit Constants Liebesproblemen auseinander zu setzen“ ;-) Ende gut, alles gut? Leider nein, denn dann begeht der Autor Jérôme Félix einen Fehler, der nicht hätte sein müssen: Anstatt hier die Geschichte zu beenden, setzt er sie noch in einen historischen Zusammenhang. Und spendiert ihr damit ein ungemein zynisches Ende, welches mich erst einmal fassungslos und dann wütend zurückgelassen hat. Wer sich die Reihe also in guter Erinnerung behalten will, sollte im vierten Band nur bis Seite 47 lesen! Auf jeden Fall in guter Erinnerung behalten werde ich dagegen wie immer die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten). Für glatte 15 € bekommt man hier hochwertige Hardcover mit jeweils 56 Seiten (ausgenommen der Auftaktband mit 52 Seiten), welche auch immer ein wenig Bonusmaterial enthalten. Fazit: Oh, wie gern hätte ich „Das Erbe des Teufels“ (Link) ob des Plot-Twists, dessen Genialität die gesamte Reihe überstrahlt, über den grünen Klee gelobt. Das geht aber leider nicht, stattdessen muss ich etwas differenziert an die Sache rangehen: Nach einem schwachen Start entwickelt sich die Verschwörungsgeschichte sehr gut, sodass jeder Band immer mehr Lesefreude bringt – Auch, weil der Protagonist sich vom Jammerlappen zum echten Helden entwickelt und der Zeichner Paul Gastine seine Fähigkeiten verbessert. Darum kann ich bei dieser Tetralogie nur dringlichst empfehlen, dass Fans von Okkult-Comics und Verschwörungsgeschichten einfach meinem Urteil vertrauen und sich gleich alle vier Bände am Stück kaufen, anstatt nur mal in den Auftaktband hereinzuschnuppern ;-)