Immer mal wieder etwas Neues lässt sich der amerikanische „Dynamite“-Verlag für seine populäre Comic-Reihe rund um den britischen Topspion 007 einfallen, der im Auftrag seiner Majestät die Lizenz zum Töten hat. So wurden die einzelnen Story-Bögen, welche hierzulande glücklicherweise als Hardcover-Sammelbände erschienen, jeweils von unterschiedlichen Kreativteams gestaltet, sodass die einzelnen Geschichten mit einer wechselnden Fokussierung (von politischer Spionagekost bis hin zu krawalliger 007-Action wurden schon viele Facetten des Genres ausgelotet) und abwechslungsreichen Zeichenstilen immer wieder überraschen konnten. Ob mich die „007 Spezialakten“ auch so begeistern können? Zu Beginn gleich die Überraschung: Anders als die Vorgänger bietet dieses Sammelband keine zusammenhängende Geschichte, sondern ist vielmehr eine Anthologie aus vier verschiedenen Kurzabenteuern. Zwei davon drehen sich um die Erlebnisse von James Bond höchstpersönlich, die anderen beiden beleuchten stattdessen die Vorgeschichte der beiden wichtigen Nebenfiguren M und Moneypenny.
Los geht es auch gleich mit der besten Geschichte des Sammelbands. In Service muss James gegen eine rechtsgerichtete Terrorzelle ermitteln, welche einen Anschlag auf den US-Außenminister plant. Dieser befindet sich aktuell zu seinem Antrittsbesuch in Großbritannien, sodass James innerhalb des eigenen Landes agieren muss. Was aufgrund der lokalen Waffengesetze bedeutet, dass er diesmal unbewaffnet in den Kampf ziehen muss... Klar, die Geschichte hat wieder die typischen 007-Tugenden. Doch zusätzlich ist diese knallige Spionage-Action in einen tagesaktuellen, hochpolitischen Rahmen der Trump- & Brexit-Ära eingebettet, sodass die Handlung für mich eine noch kältere Atmosphäre und eine größere Wucht entfaltete, als sie es getan hätte, wenn es in einem fiktiven Setting gespielt hätte.
Die zweite Kurzgeschichte kann man sicherlich als typische Origin-Story von Moneypenny betrachten. Die war nicht immer die leicht genervte Sekretärin, welche sich tagein, tagaus die sexistischen Sprüche von 007 anhören muss. Zu Beginn ihrer Karriere agierte sie stattdessen als eine kompetente Agentin... Nahezu auf jeder Seite wechseln sich hier die beiden Zeitebenen Vergangenheit und Gegenwart ab: Einerseits wird in zahlreichen Rückblenden ihre Karriere erzählt – Von der Kindheit bis hin zur Berufung zu M's Sekretärin. Andererseits muss Moneypenny, in der Gegenwart, ihren Chef vor einem Anschlag schützen und dabei beweisen, dass sie noch nichts verlernt hat ;-) Wie gesagt, eine ganz und gar typische Origin-Story, aber es ist einfach mal schön ein paar Hintergründe zu dieser sonst doch immer sehr reduzierten Nebenfigur zu erfahren.
In Solstice darf James Bond dann wieder selbst ran: M hat einen delikaten Privatauftrag für seinen Topspion. In Paris soll er sich um einen russischen Profiagenten kümmern, der seinerseits einen Maulwurf im MI6 platzieren will. Rasch kommt es zu einer tödlichen Konfrontation... Von allen vier Geschichten dieser Anthologie kann man diese wohl als klassischste und unspektakulärste bezeichnen, nichtsdestotrotz bietet sie alle Elemente, die 007-Fans lieben.
Dafür dreht die Anthologie mit ihrer Abschlussgeschichte noch mal richtig auf: 007-Chef M wird von einem alten Kriegskameraden kontaktiert, mit dem er zusammen im Nordirlandkonflikt gekämpft hat. Dieser will von M die Herausgabe streng geheimer Namenslisten erpressen... Wie schon in „Service“ spielt auch diese Geschichte innerhalb Großbritanniens, weshalb M sein Problem nicht einfach mit Waffengewalt lösen kann. Stattdessen braucht er Köpfchen und Kontakte, sodass man ob der düsteren Grundstimmung fast schon an eine Noir-Detektivgeschichte denken muss – Das hat mit der typischen 007-Action so überhaupt gar nichts mehr zu tun und das ist verdammt gut so :-D
Der Einsatz verschiedener Kreativteams zeichnet diese Anthologie genauso aus wie schon die gesamte 007-Comicreihe. Ganz verschiedene Handlungsansätze, diesmal allesamt ohne verrückten Superschurken, die das Agenten-Genre in seiner ganzen Breite ausloten. Gerade die atmosphärisch äußerst dichten Geschichten „Service“ und „M“, die halt mal nicht mit Waffengewalt, sondern mit Köpfchen gelöst werden, stechen sehr positiv hervor. Ebenfalls zur Atmosphäre tragen die verschiedenen Zeichenstile bei, wobei der Detailgrad hier manchmal doch arg nach unten geschraubt ist – Sind wir ehrlich, die gesamte 007-Comicreihe war bei all ihren Vorzügen halt einfach nie wirklich schön ;-) Schön dagegen ist – wie immer – die Hardcover-Druckqualität vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), welcher für 144 Seiten akzeptable 22,80 € verlangt. Hardcore-Fans greifen aber sicherlich wieder zur limitierten Edition (Link) für 34,80 €. Fazit: „James Bond 007 Spezialakten“ (Link) bietet vier abwechslungsreiche Kurzgeschichten. Die sind allesamt mindestens gut, zwei davon sind sogar sehr gut – Was diese Anthologie innerhalb der 007-Comicreihe zum bisher eindeutig besten und wichtigsten Band macht!
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