Wenn ich mich manchmal mit anderen RollenspielerInnen unterhalte, welche sich ebenso wie ich für Solo-Spielbücher begeistern können, dann höre ich sehr oft eher despektierliche Aussagen zu den Comic-Varianten dieses Genres. Und zugegeben, dann zeige ich mich trotz gegenteiliger Meinung doch öfters ziemlich verständnisvoll – Denn in dieser Untervariante des Spielbuch-Genres wird der Inhalt (also Regelmechaniken und Geschichte) naturgemäß durch die Optik (also die oft größflächigen Panels) ersetzt. Als bestes Beispiel, um diese These zu untermauern, sei etwa ganz aktuell der zwar überraschend nerdige, aber eben auch sehr leichtgewichtige „Du bist Deadpool“ (Link) genannt. Und so waren meine Erwartungen an den „Spiele-Comic Noir: Loup-Garou“ auch eher gedämpft… Aber um das Fazit gleichmal vorweg zu nehmen: Der neuste Titel aus dem Verlagshaus „Pegasus Spiele“ ist das erste Comic-Spielbuch, dass ich als vollwertiges Solo-Rollenspielbuch ernstnehmen kann! Die SpielerInnen übernehmen die Rolle des jungen Magiergehilfen Eoras, der für seinen Meister Thedocred mitten in der Nacht im tiefsten Wald nach Alraunenblättern suchen soll. Keine gute Idee, denn schon zwei Buchseiten später steht er einem ausgewachsenen Werwolf gegenüber. Der wird zwar im letzten Moment von einem Werwolfjäger gerettet, doch als dieser merkt, dass Eoras von dem Werwolf verletzt und damit infiziert wurde, macht er sogleich Jagd auf ihn… Nach einer langen Verfolgungsjagd, welche die SpielerInnen gemächlich an die Spielmechaniken heran führt, wird er von einer Werwolf-Familie aufgenommen und auf sein Werwolf-Schicksal vorbereitet. Damit könnte die Geschichte jetzt eigentlich mit so einer Art Happy End vorbei sein, stattdessen zieht es Eoras aber zurück zu seinem Magiermeister Thedocred. Doch der wurde entführt! Ob es was damit zu tun hat, dass sich die Toten aus ihren Gräbern erheben? „Loup-Garou“ gehört zur „Spiele-Comic Noir“-Reihe und richtet sich an eine eher erwachsene Leserschaft. Ganz so gruselig wie im vorangegangenen Horror-Thriller „Gefangen!“ (Link) geht es in dieser generisch-düsteren Fantasywelt zwar nicht zu, aber spätestens bei der epischen Belagerungsschlacht am Ende der Geschichte oder vorher schon bei tödlichen Duellen zwischen Werwölfen und Vampiren geht es halt echt nicht zimperlich zu ;-) Für die (übrigens gegen Ende hin ziemlich schwierigen) Kämpfe bietet „Loup-Garou“ ein vergleichsweise komplexes Regelkonstrukt, welches sich tatsächlich nach „echtem“ Solo-Rollenspielbuch anfühlt :-P Die eigentliche W6-Mechanik ist zwar simpel - Doch dank einem verzweigten Charakterbaum mit acht Berufen, welche wiederum jeweils über drei individuelle Zauber/Fähigkeiten verfügen, stehen viele Individualisierungsoptionen offen. Der Charakterbogen ist gar so komplex, dass man auf den ersten Blick glauben könnte, der wäre von einem „richtigen“ Rollenspiel – Und das mögen die geneigten LeserInnen jetzt bitte als großes Lob auffassen. Denn wir reden hier ja immer noch über das Untergenre des Spielecomics, bei dem man meist schon froh sein kann, wenn es überhaupt einen Charakterbogen gibt ;-) Die Geschichte an sich bietet einen typischen Abenteuer-Dreiakter (1. Protagonist wird zum Held wider Willen, 2. Die eigentliche Handlung nimmt Fahrt auf, 3. Der Held beweist sich im epischen Finale), welcher prinzipiell linear verläuft. Dank jeweils mehrerer Lösungswege, kleinerer Nebenquests & Rätsel sowie mehrerer Spielpassagen, an denen man beispielsweise eine Stadt frei erkunden kann, hat man beim ersten Durchspielen aber doch das Gefühl einer gewissen Freiheit :-) Zugegebenermaßen würde ich die Geschichte jetzt nicht mehrfach hintereinander durchspielen, dafür ist es dann doch zu linear, aber dieses erstmalige Erleben der Handlung hat wir überraschend viel Spaß gemacht! Seinen Anteil daran hatten sicherlich auch die oft gefälligen, wenn auch düsteren und manchmal qualitativ etwas schwankenden Zeichnungen. Daher kann ich unumwunden zugeben, dass „Loup-Garou“ von allen Spiele-Comics, die „Pegasus Spiele“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) bisher veröffentlich hat, mit einem nicht zu unterschätzenden Abstand der beste ist. Der Preis von 14,95 € für das 144 Seiten bzw. 326 Abschnitte umfassende Hardcover geht hier voll in Ordnung. Fazit: „Spiele-Comic Noir: Loup-Garou“ (Link) ist das erste Comic-Spielbuch, dass ich als vollwertiges Solo-Rollenspielbuch anerkenne :-D