Normalerweise ähneln sich Solo-Rollenspiele ja, auch wenn man sie sicherlich in verschiedene Kategorien einordnen kann (so geschehen in der 8. Podcast-Episode (Link)), doch ziemlich im Aufbau: Man liest sich durch eine Geschichte, trifft ab und an weitreichende Entscheidungen und besteht bei den komplexeren Genre-Vertretern auch mal eine Probe. Der Indie-Verlag „System Matters“ zeigt nun aber ein weiteres Mal, dass selbst in dieser Rollenspiel-Nische noch so viel mehr Spielmechanismen möglich sind. Beispielsweise, indem man einfach Briefe schreibt :-D „Quill“ heißt dieses kleine Solo-Rollenspiel, das weltweit nicht nur unzählige RollenspielerInnen begeistert, sondern auch LehrerInnen & SchülerInnen (Link). Ob es auch mich begeistern kann? Um das Spielprinzip in nur einem Satz zusammenzufassen: In „Quill“ schreibt man Briefe und erwürfelt mittels W6-Probe, ob man diese auch gut gemacht hat. Das klingt gar nicht so schwer, oder? Ist es auch nicht! Aber trotzdem schreibt man nicht einfach wild drauf los, stattdessen muss man seine Kreativität ein wenig an das Regelgerüst anpassen. Und das beginnt erst einmal, immerhin sind wir hier immer noch bei einem Rollenspiel, mit der Wahl eines Spielercharakters. Dieser definiert sich über seine drei Attribute (Schreibkunst, Sprache & Herz, jeweils 1 – 3 W6), über seine einmal je Szenario einen Bonuswürfel bringende Spezialfertigkeit (Inspiration, Buchmalerei & Hingabe) und seinen Beruf (im Grundspiel, angepasst an die mittelalterliche Fantasy-Welt Quillia, z.B. Ritter, Dichter & Höflinge; in der lovecraftschen Kampagnenerweiterung dagegen typische „Mythos-Berufe“ wie etwa Linguist & Historiker). Und dann geht es auch schon los: Man wählt ein Szenario, welches vorgibt, an wen man schreibt und warum. Außerdem bestimmt es die jeweiligen Schreibregeln (sozusagen Sonderregeln) und den Inhalt des Tintenfasses - Das sind besondere Worte, die in dem Brief vorkommen müssen. Diese werden unterschieden in einfach und gehoben. Nur letztere bringen Punkte, dafür darf man sie nur verwenden, wenn man eine Sprach-Probe schafft. Und genau auf diese Punkte kommt es letztendlich an, entscheiden sie doch darüber, wie der Brief von den jeweiligen EmpfängerInnen aufgenommen wird. Dabei erhält man einen Punkt je gehobenem Wort, einen Punkt je pro Absatz bestandenem Schreibkunsttest und sogar zwei Punkte je verschnörkeltem gehobenen Wort (die gibt es für Adjektive, die eine Herz-Probe bestanden haben). Ein Brief besteht immer aus fünf Absätzen, welche jeweils ein Wort aus dem Tintenfass enthalten müssen. Der Probenmechanismus bleibt dabei immer gleich: Eine gewürfelte 5 oder 6 ist ein Erfolg. Im Prinzip besteht „Quill“ also nur daraus, abwechselnd zu Würfeln und zu Schreiben. Kann so etwas Spaß machen? Prinzipiell ja, aber zumindest für mich persönlich kam es vor allem auf das gespielte Szenario an. Denn ich will gar nicht verhehlen, dass ein mittelalterliches Kondolenzschreiben für mich jetzt nicht ganz so spannend ist wie ein verzweifelter Okkultismusbericht ;-) Und hier liegt wieder einmal die große Stärke vom „System Matters“-Verlag. Dieser hat sich nämlich nicht lumpen lassen und neben dem eigentlichen Grundspiel (32seitiges Heftchen mit allen Regeln und vier Szenarien im mittelalterlichen Quillia) und einem DIN-A5-Schreibblock auch noch ein Liebesbrieferweiterungsheftchen (16 Seiten mit fünf teils echt dramatischen Szenarien) und eine lovecraftschtes Mythos-Kampagne (28 Seiten mit fünf narrativ zusammenhängenden Szenarien) ins „Quill“-Paket gepackt. Das alles in gewohnt hochwertiger Design-, Layout-, Lektorat- & Produktionsqualität, sodass ich die 17,95 € sehr gern für das Set bezahlt habe. Fazit: Ich will es gar nicht beschönigen: „Quill“ (Link) ist arg speziell. Man braucht schon eine gewisse Begeisterungsfähigkeit, um einen Brief an eine imaginäre Personen zu schreiben und dann auszuwürfeln, ob einem das auch gut gelungen ist. Wenn man diese Begeisterungsfähigkeit aber hat, dann wird man dieses Indie-Meisterwerk abgöttisch lieben :-D