Kriegscomics protzen ja gerne mal mit authentischen, detailgenauen Zeichnungen von Fliegern und Panzern, welche dann von heroischen Männern in epischen Schlachten bedient werden. Für das vermeintlich schwache Geschlecht ist da meist kein Platz, außer vielleicht als sexy Eye-Candy in den eher pulpigeren Genre-Varianten. Umso überraschter war ich deshalb, dass „Lady Spitfire“ mit einer emanzipierten Protagonistin aufwartet. Aber reicht das aus, damit die Comic-Tetralogie aus der Masse herausragen zu lassen?
1. Laure Chevalier wuchs als Tochter eines Piloten auf und ist, so würde man das heute wohl sagen, ein echter Flugzeug-Nerd ;-) Als Frankreich zu Beginn des zweiten Weltkriegs von deutschen Truppen überrannt wird, fliegt/flieht Die Tochter der Lüfte (Link) nach England. Dort ist man von ihrem fliegerischen Talent so beeindruckt, dass sie der „Women's Air Transport Auxilary“ beitreten darf – Der einzigen damaligen Möglichkeit für Frauen, auch nur in die Nähe von Flugzeugen zu kommen (Klugscheißerwissen am Rande: Das war die erste Regierungsorganisation, bei der Frauen ab 1943 den gleichen Lohn wie Männer bekamen). Eigentlich soll Laure hier nur unbewaffnete Spitfire-Jagdmaschinen abliefern, doch als sie selbst damit einen Luftkampf gewinnt, wird ihr die Möglichkeit gegeben, die Identität eines frisch gefallenen Piloten anzunehmen. Fortan fliegt sie als Charlie Johnson echte Kampfeinsätze, die dann doch etwas gefährlicher sind, als sie sich vorgestellt hat...
2. Mittlerweile hat sich Laure/Charlie gut in die Fliegerstaffel integriert. Doch nun treibt ein deutscher Elitepilot, welcher Der Henker (Link) genannt wird, sein Unwesen. Bald schon schnellen die Opferzahlen unter den Spitfire-Piloten in die Höhe und so droht der Jäger-Staffel die Gefahr, dass sie aufgelöst wird – Was das Ende für Laures Pilotenkarriere bedeuten würde...
3. In Eine für Alle – Alle für Eine (Link) wird Laures dezimierte Jägers-Staffel mit neuen Rekruten aufgefüllt. Den meisten ist es egal, dass Laure eine Frau ist, doch ausgerechnet der einflussreiche Admiralssohn Turner lässt den unbelehrbaren Macho raushängen. Was nicht nur ihn selbst, sondern die gesamte Staffel und damit auch Laures Identitätsdiebstahl in Gefahr bringt!
4. Die Luftschlacht um England ist zwar gewonnen, doch Laures geheime Identität ist aufgeflogen. Doch mittlerweile ist ihr fliegerisches Können so anerkannt, dass sie vom Geheimdienst rekrutiert wird. Als Bomberpilotin der Desert Air Force (Link) hat sie jedoch weit weniger Glück, denn sie wird mitten in der Wüste abgeschossen! Und so muss sie nicht nur ums Überleben kämpfen, sondern auch ihren Feinden Auge in Auge gegenüberstehen...
Zuvorderst ist „Lady Spitfire“ natürlich wieder ein klassischer Kriegscomic in gewohnter franko-belgischer Tradition: Epische Schlachtszenen, welche eindrucksvoll mit detailgetreuem Kriegsgerät in Szene gesetzt wurden, dazu heldenhafte Krieger und irgendwie auch immer ein narrativer Unterbau, der die einzelnen Episoden irgendwie zusammenhält. Soweit, so bekannt ;-) Seine Besonderheit zieht diese Reihe aus der Hauptfigur Laure, welche sich als Frau in einer Männerwelt behaupten muss – Sicher, auch hier ist der Handlungsbogen überaus klassisch (Sie hat einen Traum, dann muss sie sich beweise, dann muss sie die Entdeckung verhindern, dazu noch ein paar Rückschläge und Liebeleien...), aber das Konzept geht einfach auf. „Lady Spitfire“ ist tatsächlich eine der wenigen Kriegscomic-Reihen, an welche man sich auch später noch recht deutlich erinnert, eben weil die Hauptfigur nicht so generisch ist. Und das hat nicht nur etwas mit dem Geschlecht zu tun, sondern auch mit einer (zumindest für dieses Genre, was ja bekanntermaßen einen ganz anderen erzählerischen Fokus setzt) tiefer gehenden Charakterzeichnung. Hier möchte ich fast schon unken, dass der Autor Sébastien Letour es am Ende gar etwas zu gut gemeint hat mit dem Versuch, der Figur Drama und Tiefe zu verleihen :-P Zumindest wird der Abschlussband „Desert Air Force“ so, welcher sich merklich von den ersten drei Bänden unterscheidet: Sind die Flugabenteuer in England erzählerisch stringent und durchaus spannend, wirkt die Wüsten-Survival-Geschichte im vierten Band überladen – Subjektiv hatte ich das Gefühl, als wären die Bände 1 – 3 ein abgeschlossener Zyklus und Band 4 hätte der Start eines zweiten Zyklus oder eines SpinOffs sein sollen, was dann aber irgendwie nicht geklappt hat, sodass man zwei oder gar drei Bände in einen Comicband gequetscht hat. Was selbst bei 56 Seiten, welche von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten) wie immer in guter Qualität gedruckt wurden, halt einfach zu viel ist. Fazit: Und so kann für die ersten drei Bände von „Lady Spirfire“ (Link) eine uneingeschränkte Empfehlung abgeben und eine immer noch wohlwollende Empfehlung für den vierten Band. Dabei richtet sich meine Empfehlung nicht nur an die altbekannten Fans franko-belgischer Kriegscomics, sondern explizit auch an LeserInnen, die sich für feministische Action mit einer starken, weiblichen Hauptfigur begeistern können.
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