„SORCERY!“ ist eine vierteilige englische Solo-Spielbuchreihe, welche das erste Mal zwischen 1983 und 1985 veröffentlicht wurde. Nun legen die deutschen Spielbuch-Spezialisten vom „Mantikore Verlag“ (Link) diese Serie wieder auf und ich musste mich beim Zocken schon gelegentlich fragen, ob so ein altes Spielbuch modernen Standards genügen kann… Die Neuauflage, welche ich dankenswerterweise vom Verlag als Rezensionsexemplar zugesendet bekam, bietet auf 224 Seiten ein 456 Abschnitte umfassendes Abenteuer. Die Handlung ist dabei allerdings eher simpel: Eine magische Krone wurde geraubt, die Fantasy-Reiche verfallen ins Chaos. Nun ist es die Aufgabe des Spielers die Krone im Verlauf der vierteiligen Reihe zurückzuholen. Diese Aufspaltung der Geschichte bringt nun Vor- und Nachteile: Einerseits sind die vier Bücher dadurch zusammenhängender, als es bei anderen Spielbuchserien der Fall ist. Die einzelnen Bände nehmen Bezug zueinander, beispielsweise haben im ersten Teil getroffene Entscheidungen dann Auswirkungen im zweiten Teil. Andererseits führt das aber dazu, dass nun speziell in diesem Handlungsauftakt mal so gar nichts passiert. Man durchquert die namensgebenden Shamutanti-Hügel, erlebt in jedem Dorf und auch auf dem Weg dazwischen kurze Abenteuer, das war es schon. Wo die Handlung möglicherweise richtig in Fahrt kommen könnte, nämlich in der bösen Stadt Kharé, ist das Buch dann schon vorbei, bitte den zweiten Teil kaufen ;-) Aber ich hab natürlich nicht umsonst als Titel „Der Weg ist das Ziel“ gewählt. Denn auch wenn es diesem ersten Band noch an epischer Handlung fehlt, sind doch die Reiseabenteuer sehr spannend und abwechslungsreich: Man erforscht dunkle Minen, befreit Jungfrauen in Nöten, heilt verzweifelte Pestkranke, kämpft gegen wütende Riesen, trinkt kühles Bier… also mächtig viel los auf der Reise! Dabei verläuft die zwar naturgemäß linear, ist aber in sich verzweigt genug dass man beim zweimaligen Durchspielen (so wie ich es tat) fast durchgehend verschiedene Erlebnisse hat. Zusätzlich wird die Reise durch das Element der Ressourcenverwaltung interessant gestaltet: Geld und Nahrungsrationen nehmen beständig zu und ab, genauso wie auch die einzelnen Charakterwerte Gewandtheit (Kampfkraft, Geschick), Ausdauer (Lebenspunkte, Zauberreserve) und Glück (Rettungswürfe, Schadensverstärkung). Und das bringt uns zum Thema Charaktererschaffung. Die ist ziemlich oldschool, denn der Spieler erwürfelt sich seinen Charakter (Grundwert + Würfelergebnis). Selber ausrüsten kann man sich zwar nicht, denn das Startequipment ist vorgegeben. Allerdings darf man sich für eine Karriere als Kämpfer oder Zauberer entscheiden, und diese Wahl hat massive Auswirkung auf das Spielgefühl. Kämpfer haben es dabei noch recht einfach: Kommt es zu einem Kampf, würfelt man entsprechend der Kampfregeln (Vergleichende 2W6+Gewandtheit-Probe, der Verlierer büßt Ausdauer ein) bis der Gegner oder der Spieler tot ist. Also recht simpler Standardkram, vergleichbar mit jedem anderen Spielbuch. Wirklich interessant und ungewöhnlich wird es für Zauberer: Die dürfen sich vorher nämlich aus dem am Ende befindlichen Zauberbuch so viele Sprüche wie möglich merken. Und hoffentlich merkt man sich die Sprüche gut, denn wenn das Abenteuer erstmal losgegangen ist darf man eigentlich nicht mehr nachschauen. In entsprechenden Abschnitten (Kämpfe natürlich, aber auch beispielsweise harmlose Konversationen) kann man unter fünf Vorschlägen auswählen, wobei jedoch meist nur ein Vorschlag wirklich sinnvoll ist. Dabei sind die 48 mit jeweils einer dreibuchstabigen Abkürzung versehenen Zauber durchaus komplex, da sie an oft bestimmte Voraussetzungen gebunden sind. Für den DOP-Beschwörungszauber braucht man beispielsweise einen goldenen Spiegel, für den GOB-Beschwörungszauber dagegen Goblinzähne. Die Texte der einzelnen Abschnitte sind zumeist gelungen, allerdings auch recht einfach geschrieben und teilweise ziemlich kurz (wobei ich hier zugeben muss, durch das ebenfalls im „Mantikore Verlag“ erschienene „Das Feuer des Mondes“ (Link) verwöhnt worden zu sein, da sind die Texte nämlich ausgezeichnet :-) – nicht umsonst gab es letzten Monat den „GOLDENEN STEPHAN“ als bestes Solo-Spielbuch sowie den goldenen Publikumspreis!). Die kontrastreichen, ganzseitigen, originalen schwarz/weiß-Illustrationen kann ich nur loben, sie tragen maßgeblich zur Atmosphäre bei, wobei diese aber teilweise erst eine Seite nach dem zugehörigen Abschnitt gedruckt sind sodass man diese erst auf den zweiten Blick oder zufällig entdeckt. Auch die Druckqualität des Softcover-Taschenbuches ist gelungen und für den Preis von 12,95 € eigentlich angemessen. Jedoch, jetzt kommt das große „Aber!!!“: Das Buch enthält nicht wenige Fehler! Viermal sind Zuordnungen falsch, einmal fehlt die Zauberauswahl, siebenmal sind die Zauberkürzel falsch und ein Zauber ist gleich ganz falsch benannt. Zwar wurde rasch eine Errata (Link) zur Verfügung gestellt und wo Menschen arbeiten passieren Fehler, aber bei so einem erfahrenen Spielbuchverlag schmerzt mich das trotzdem :-( Fazit: Wäre ich noch bei meinen Teilzeithelden-Ex-Kollegen oder bei Amazon, also bei Wertungssystemen mit 5 Punkten, dann hätten wir hier einen waschechten 3,5er! Denn eigentlich ist „SORCERY!“ ein wirklich gutes Spielbuch: Zwar ist die Handlung des Quadrologie-Auftakts arg unspektakulär, aber die einzelnen Abenteuer und Konfliktsituationen sind besonders als Zauberer überaus spaßig. Gerade durch die Ressourcenverwaltung wird die jeweils gut 3 Stunden dauernde Reise spannend und herausfordernd. Andererseits ist dieses Spielbuch aber auch ziemlich oldschool. Das ist im Prinzip ja auch nichts Schlimmes, aber im Vergleich zur heutigen Spielbuch-Referenz merkt man dann doch das Alter. Noch dazu ziehen die Fehler den Gesamteindruck etwas nach unten, sodass mir letztendlich eine 3,5 von 5 als passende Wertung erscheint (wenn ich denn ein Wertungssystem hätte ;-)).