Nachdem mir die Neuauflage des ersten Teils „Die Shamutanti-Hügel“ doch überraschend gut gefallen hat, war ich natürlich gespannt, wie sich der zweite Teil „Die Fallen von Kharé“ so schlagen würde. Denn die „SORCERY!“-Quadrologie hat ja schon ein paar Jährchen auf dem Buckel (Erstveröffentlichung 1983-85) und das Spielbuch-Genre hat sich doch ein wenig weiterentwickelt. Um dem Fazit vorzugreifen: Auch die Fortsetzung ist wieder extrem oldschool, macht aber trotzdem noch eine Menge Spaß :-)
Der zweite Band „Die Fallen von Kharé“ setzt mit seinen 316 Seiten beziehungsweise 511 Abschnitten – was wesentlich umfangreicher ist als der Vorgänger mit 224 Seiten bzw. 456 Abschnitten – genau dort an wo „Die Shamutanti-Hügel“ endete: Der Spieler hat eben jenes Hügelland bereist und steht nun vor der Stadt Kharé, welche er durchqueren muss, um letztendlich eine magische Krone zurückzuerobern. Denn diese wurde von einem fiesen Erzmagier geraubt, nun droht der friedlichen Fantasy-Welt das totale Chaos... Zugegeben, die Geschichte bietet zwar einen übergeordneten Handlungsbogen für die vier Solo-Spielbücher, aber auch im zweiten Teil ist sie eigentlich ziemlich nebensächlich. Wie schon im ersten Teil bietet „Die Fallen von Kharé“ ein lupenreines, vorwärts drängendes Reiseabenteuer – Nur dass man halt diesmal nicht durch die Shamutanti-Hügel wandert mit Kharé als Ziel, sondern durch Kharé mit dem Nordtor als Ziel...
Aber wie schon im Auftaktband gilt der (hier im Blog irgendwie schon ziemlich abgenudelte) Spruch „Der Weg ist das Ziel“. Denn die Reise durch die Stadt wird für den Spieler zu einem abwechslungsreichen Abenteuer: Er bereist mehrere Stadtviertel, die von unterschiedlichsten Monstern bewohnt werden und die voller Fallen stecken. Während seiner Stadtdurchquerung dringt er in Grüfte und Tempel ein, geht in die Spielhalle und auf den Jahrmarkt, landet im Gefängnis und in der Kanalisation... Dabei versucht er natürlich einerseits schnellstmöglich das Nordtor zu erreichen, um seine Reise fortzusetzen. Andererseits muss er aber die Stadt nach vier magischen Sprüchen durchsuchen, welche er zur Öffnung eben jedes Tores benötigt. Das Spielgefühl ist dabei mit dem des Vorgängers identisch, im Prinzip reist man von Ort zu Ort beziehungsweise Ereignis zu Ereignis. Dabei unterscheiden sich die Stadtviertel und ihre Bewohne teils so stark voneinander und werden erzählerisch so abrupt getrennt, dass man weniger das Gefühl hat in einer zusammenhängenden Stadt zu verweilen, sondern eher, dass man wie im ersten Teil von Dorf zu Dorf reist. Ärgerlich fallen bei der Reise drei Dinge auf: Erstens kommt man öfters an Kreuzungen, bei denen man keinen Anhaltspunkt hat in welche Richtung man gehen sollte. Zweitens ist das im Prinzip aber egal, da das Abenteuer so linear aufgebaut ist, dass man sich eigentlich nicht verlaufen kann, denn man hat keine „offene“ Stadt und kann auch nicht an einen vorherigen Punkt zurückkehren. Außerdem ist das Abenteuer In-Game so kurz, dass einer der spaßigsten Punkte des ersten Teils, nämlich die Mini-Ressourcenverwaltung von Geld und Nahrung, kaum von Bedeutung ist.
Womit wir beim Regelsystem wären ;-) Zugegeben, da sich hier nichts zum Vorgänger geändert hat, kopiere ich einfach meinen Text von damals:
Der Spieler erwürfelt sich seinen Charakter (Grundwert + Würfelergebnis). Selber ausrüsten kann man sich zwar nicht, denn das Startequipment ist vorgegeben. Allerdings darf man sich für eine Karriere als Kämpfer oder Zauberer entscheiden, und diese Wahl hat massive Auswirkung auf das Spielgefühl. Kämpfer haben es dabei noch recht einfach: Kommt es zu einem Kampf, würfelt man entsprechend der Kampfregeln (Vergleichende 2W6+Gewandtheit-Probe, der Verlierer büßt Ausdauer ein) bis der Gegner oder der Spieler tot ist. Also recht simpler Standardkram, vergleichbar mit jedem anderen Spielbuch. Wirklich interessant und ungewöhnlich wird es für Zauberer: Die dürfen sich vorher nämlich aus dem am Ende befindlichen Zauberbuch so viele Sprüche wie möglich merken. Und hoffentlich merkt man sich die Sprüche gut, denn wenn das Abenteuer erstmal losgegangen ist, darf man eigentlich nicht mehr nachschauen. In entsprechenden Abschnitten (Kämpfe natürlich, aber auch beispielsweise harmlose Konversationen) kann man unter fünf Vorschlägen auswählen, wobei jedoch meist nur ein Vorschlag wirklich sinnvoll ist. Dabei sind die 48 mit jeweils einer dreibuchstabigen Abkürzung versehenen Zauber durchaus komplex, da sie oft an bestimmte Voraussetzungen gebunden sind. Für den DOP-Beschwörungszauber braucht man beispielsweise einen goldenen Spiegel, für den GOB-Beschwörungszauber dagegen Goblinzähne.Die Texte sind gut geschrieben und auch lektoriert, dazu gibt es allerlei Illustrationen. Die haben zwar ihren ganz eigenen, überaus trashigen Stil, aber irgendwie mag ich die trotzdem. Wirkt halt so richtig schön oldschoolig ;-) An der Druckqualität habe ich nichts auszusetzen, sodass ich es nicht bereue, dass mir die Frau vom Verlagschef Nicolai das Taschenbuch für 12,95 € aufgeschwatzt hat :-P Fazit: Wer den ersten Teil „Die Shamutanti-Hügel“ (Link) mochte, wird auch „Steve Jacksons SORCERY! 2: Die Fallen von Kharé“ (Link) mögen. Mehr vom Gleichen, wie schon der Vorgänger ein typischer 3,5er :-)